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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 5.1894

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Bode, Wilhelm von: Moderne Kunst in den Vereinigten Staaten von Amerika, [2,1]: Eindrücke von einem Besuche der Weltausstellung zu Chicago - Die Architektur und das Kunsthandwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.4565#0129

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MODERNE KUNST IN DEN VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA.

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ten erst seit v. enigen Jahren eine monumentale Ge-
staltung angestrebt, seitdem der glänzend entwickelte
öffentliche Sinn der Amerikaner durch großartige
Stiftungen an den verschiedensten Orten die Gelegen-
heit dazu geschaffen hat Dabei haben die ameri-
kanischen Ai^aitekten ihre Aufgaben gleich in so prak-
tischer und künstlerischer Weise angegriffen, dass
schon jetzt die Boston-Library von White und das
Carnegi-Concerthouse in New York auch unseren
europäischen Bauten dieser Art ein glänzendes Vor-
bild sein könnten.

So zweckentsprechend, so praktisch und ge-
schmackvoll die neueste Architektur in Amerika ist,
eines wird niemand, der von unserer modernen Kunst

New York maßgebend. Für das Privathaus erscheint
dieser Stil leicht zu schwerfällig und selbst triste in
der Wirkung, die noch durch die trübe violette
Färbung des im Osten der Vereinigten Staaten sehr
viel verwendeten Sandsteins befördert wird. Der mo-
derne klassische Stil, dessen erste Vertreter nament-
lich die Firmen Mc Kim, Acton und White sind,
stellt sich schon von außen ganz verschieden dar:
wie im Inneren, so sucht er auch außen hell und
freundlich zu wirken; ein feiner graulich-weißer
Granit, heller Backstein (von so vorzüglicher Arbeit,
dass er dem altrömischen nahe kommt) und selbst
weißer Marmor sind die bevorzugten Materiale, aus
denen die Bauten in diesem Stil errichtet sind. Was

Bowle; ausgeführt von der Gorbam Company in Providence, KI. (Chicago )

und Kultur einen vollen Begriff hat, von ihr er-
warten: dass sie einen einheitlichen oder gar einen
eigenen Stil aufweisen solle. Auch drüben finden wir
eiue beinahe ebenso reiche Musterkarte aller Stile,
wie bei uns; nur dass man sich in der Regel keine
Mühe giebt, den einen oder anderen älteren Stil
ru"i anzuwenden, sondern weit freier mit den Ele-
menten desselben schaltet. Zur Zeit sind zwei Rich-
'"ugi'ii die herrschenden: die eine, ältere, im An-
schluss an die romanisch-maurische Kunst und die
neueste, die rieh die Frührenaissance und die grie-
chische Kunst zum Vorbild nimmt. Die eretere,
hauptsächlich durch den verstorbenen Architekten
wichardson entwickelt und verbreitet, ist in Chicago,
oston und den meisten Städten des Westens noch
tlle vorherrschende und ist auch noch für den ka-
8WHenartigen Massenbau an den Außenseiten von

diese wie überhaupt die neuere amerikanische Archi-
tektur auszeichnet, ist die Mäßigung in ornamen-
talen Details wie die feine Durchbildung derselben;
jede Übertreibung, jedes Zuviel ist dem Amerikaner
in der Kunst ganz besonders verhasst.

Reiner und eigenartiger noch als in der Archi-
tektur kommt der amerikanische Geschmack in der
künstlerischen Einrichtung des Hauses und im Kunst-
gewerbe überhaupt zur Geltung. Wer nach dieser
Richtung, für welche die Ausstellung besonders
wenig ergiebig war, bei den Kunstfreunden Chicagos
und in den westlichen Städten vorurteilsfrei und mit
offenem Blick sich umgesehen hat, muss einen ganz
außerordentlichenEindruckvon drüben zurückgebracht
haben. Während in Europa, namentlich bei uns in
 
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