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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 5.1894

DOI Artikel:
Seemann, Artur: Natur und Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4565#0142

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132

NATUK UND KUNST.

von Martin Gerlach herausgegebenen Werke: Festons
und dekorative Gruppen.l) Der Herausgeber hat sich
schon durch einige ausgezeichnete und verdienter-
maßen viel verbreitete Werke um die Hebung des
Geschmacks, die Förderung des Kunstgewerbes weit-
hin bekannt gemacht, wie die Allegorieen und Em-
bleme, Stuck's Karten und Vignetten, die Pflanze
in Kunst und Gewerbe, das Karlsruher Fächerwerk.
Er gab darin Phantasieschöpfungen meist moderner
begabter Künstler, von denen viel zu lernen war
und gelernt worden ist. Was er nun in dem vor-
liegenden Werke unternimmt, ist der Versuch, der
Natur direkt zu Leibe zu gehen, sie nicht erst durch
das Medium einer Künstlerseele gehen und ihr Liebt
dort brechen zu lassen. Freilich hat er sie auch niebt
maßlos zusammengerafft: sein künstlerischer Sinn,
der sich in der Anregung, Anordnung und Ausfüh-
rung der eben genannten Werke schon vielfach be-
thätigt hat, spricht in dem neuen Werke noch deut-
licher. Er hat, wo er konnte, dem alten Wahr-
spruche Dürer's getreu, ein Stück Kunst aus der
Natur unmittelbar herausgerissen. Zweige mit Blüten
und Früchten, Blumen, Blätter und Ranken, Schmet-
terlinge, Vögel und Vierfüßler verschiedener Art hat
er zu künstlerischen Gruppen zusammengefügt und
in Bezug auf Auswahl und Anordnung nur so viel
gethan, als nötig ist, diese Naturelemente zu einem
angenehm wirkenden Ganzen zu vereinen. Die Ein-
zelheiten sprechen aber, durch die Photographie ver-
vielfältigt, mit unmittelbarer Wahrhaftigkeit der
Form zum Beschauer. Das Hauptgewicht ist dabei
auf die Pflanze gelegt. „Die Pflanze in ihrer leben-
digen Frische und natürlichen Erscheinung bildet
das Thema des Werkes," sagt der Herausgeber. Er
will es als eine Art Ergänzung zu dem großen
Farbendruckwerk „Die Pflanze" aufgefasst wissen
und legt darin neues Material vor, sei es zu treuer
Verwertung der natürlichen Form, sei es zu einer
ornamentalen Stilisirung im Sinne jenes Werkes,
oder zu selbständig neuer, dekorativer Erfindung.
Das Inhaltsverzeichnis zählt 146 Blätter auf, von
deren überreichem Material sich schwer eine Vor-
stellung geben lässt. Das Titelblatt schon zeigt
eine senkrechte und zwei wagerechte Leisten mit
Nadelhölzern, Musikinstrumenten, Maske, Lorbeer,
Kürbissen, Wein, Früchten, Vögeln. Das erste Blatt
ist eine Komposition aus Nadelholzzweigen mit einem

1 .1/. Gcrlach: Festons und dekorative Gruppen. 146
Tafeln in Lichtdruck. Wien, Gerlach & Schenk; in Mappe
M. 180.—

toten Auerhahn, Geweih, Jagdgeräten u. s. w. Das
zweite Blatt dagegen bringt einige Lorbeerzweige
in natürlicher Größe, scheinbar zufällig hingeworfen,
in Wirklichkeit aber mit großer Kunst in dem vier-
eckigen Raum (22 x 30 cm) verteilt. Weitere Blätter
bringen Gruppen, emblematische Motive, Festons,
Friese, Füllungen, Stillleben, Rankengewinde u. dergl.
aus dem verschiedenartigsten Material. Allerlei de-
koratives Getier ist dazwischen bemerklich, Vögel
so gut wie Wild, Fische, Krebse, Lurche, Muscheln,
ferner Instrumente, Geräte, Gefäße, Fächer, sogar
Kruzifixe sind zur Erzielung bestimmter Wirkungen
oftmals mit Hinblick auf einzelne Zweige mensch-
licher Thätigkeit zusammengestellt. Eine sehr wir-
kungsvolle Tafel führen wir in Abbildung den Lesern
vor. Solcher Blätter nun enthält das Werk 122, als-
dann folgt, ein glücklicher Gedanke, ein Zieralphabet,
richtiger deren zwei, je zwei Buchstaben mit Blüten-
zweigen und Früchten ähnlich ausgeziert, wie es der
zu Anfang dieser Zeilen stehende (stark verkleinerte)
Initial zeigt.

Die Ausstattung des Werkes ist wiederum, wie
man dies bei den Gerlach'schen Werken gewohnt
ist, vortrefflich. Die Lichtdrucke sind gleichmäßig
klar bis in die Tiefen und ihre einzelnen Teile sind
häufig, der besseren Gliederung wegen, durch leichte
untergelegte Töne, bläulich, grünlich, gelblich, von
einander geschieden. Als Papier ist das sog. Pyra-
midenkornpapier verwendet, das nicht den unange-
nehmen Glanz des glatten Kartons hat. Eine feste
elegante Mappe, in der .eine eigenartige Spannvor-
richtung den ganzen Inhalt kräftig zusammenhält,
umschließt die Tafeln.

Wir möchten wünschen, dass das Werk recht
vielfach benützt würde, und schließen uns der Em-
pfehlung völlig an, die Dr. R. Graul dem Werke in
einer Einleitung mitgegeben hat:

„Der Umgang mit der Natur hat noch keinem
geschadet, der den Funken künstlerischer Empfin-
dung in sich spürt und den die Kraft beseelt, aus-
zusprechen, was er in der Natur sehend empfand.
Hat er Sinn für die Feinheit des Linienspiels in der
Bewegung der belebten Pflanze, dann wird er, gerade
je aufrichtiger sein Studium gewesen ist, je tiefer
er in den Geist der Naturgestaltung eingedrungen
ist, von selbst die Grenzen finden, innerhalb deren
ihm die technischen Bedingungen seiner Kunst den
mehr oder minder treuen Anschluss an das natür-
liche Vorbild gestatten. Ausgehend von einer naiven
Naturbetrachtung, die auch das Detail berücksich-
tigt und acht hat auf die Kombinationen, die der


 
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