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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 5.1894

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Seliger, Max: Amerikanische Reklamepapiere
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https://doi.org/10.11588/diglit.4565#0167

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AMERIKANISCHE REKLAMEPAPIERE.

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Ultramarin und englisch Rot auf Weiß, d. h. also
die Landesfarben. Überhaupt ist die Absicht immer:
weithin sichtbar und deutlich. Daher einfache,
schnörkellose, meist recht fette Schriften, kräftig
farbig auf lichtem Grunde und umgekehrt.

Man ist bisweilen rücksichtslos in der Erreichung
des Reklamezweckes und kümmert sich nicht um
die ästhetische Wirkung. So giebt es Bahnlinien,
auf welchen man bei jedem Kilometer beim Blick
aus dem Fenster die Riesenworte weiß auf blau
liest: „Children cry for Pitchers Castoria" (Kinder
schreien nach Pitchers Castoria), was dem Reisenden
den Genuss der Landschaft gründlich verdirbt, oder
ganze Dörfer und Yorstadtteile sind mit schwarzer
Ölfarbe zugestrichen, und in jeder Perspektive liest
man auf den Dächern und Wänden die lichtgelben
Buchstaben „Hoods Sarsaparilla". Die Wirkung ist
so ungeheuer krass, dass man nicht Fenster und
Thüren, sondern nur diese teuflischen Lettern sieht.
Dieses Prinzip ist nicht zur Nachahmung zu em-
pfehlen.

Von sehr künstlerischer Ausbildung sind die
Theaterzettel. Die Theater haben in der Stadt ge-
mietete Flächen mit einem feststehend geschriebenen
Kopf, in welche sie die nach deren Maßen gedruck-
ten Zettel hineinkleben lassen. Auch giebt es Kom-
pagnieen, welche solche Reklamestände längs den
Straßenbahnen, an geringeren Häusern und unbe-
bauten Grundstücken im Verkehrscentrum bauen
und vermieten. Die Anzeigepapiere sind bisweilen
6:4 m groß und werden dann natürlich in etwa
24 Teilen gedruckt und nachher nebeneinander ge-
klebt. Die Illustrationen sind meist lebensgroß, bis-
weilen überlebensgroß, namentlich beliebt ist dieser
manchmal zehnfache Maßstab für Porträtköpfe her-
vorragender Theaterkünstler.

Man giebt ganz realistische farbige Darstellungen
auf weißem oder sehr lichtem Grund, wodurch eine
lebendige klare Wirkung weithin entsteht. Es ist
"rauch, die Theaterkünstler als Porträts in ihren
Rollen teils allein, teils in ganzen Scenenporträts zu
geben. Über dem Bilde ist in kurzen Worten das
ktück und der Künstler angezeigt, die anderen Mel-
dungen bringt ein besonderer, darunter geklebter
farbiger Zettel. Diese Porträtreklame, die so in-
teressant und anziehend wirkt, ist natürlich mit der

Hilfe der Photographie nach dem Leben so ausge-
bildet worden; der Lithograph zeichnet diese Mo-
mentphotographieen von dem spielenden Schauspieler
lebensgroß auf den Stein und ebenso die Farben-
platten.

Alle diese Papiere zeigen wieder die bewusste
Beschränkung, Einfachheit und Klarheit. Kräftige
wirkungsvolle Kontraste, farbige dunkle Darstellungen
auf weißem Grunde.

Neben dieser Reklame im größten Maßstabe
blüht jene Miniaturart von unzähligen gedruckten
und reich illustrirten Geschäftsanzeigen, die beson-
ders durch die eminenten Leistungen der modernen
mechanischen Darstellungsmittel, der Photographie
und Druck- und Reproduktionsverfahren so gewaltig
entwickelt ist. Sie arbeitet rasend schnell, leistet
Ungeheures und dieses billig, darum bedient sich
jeder derselben.

Diese Kunst ist sehr fruchtbar, wechselt fortwäh-
rend und bietet trotz dieser flüchtigen Vergänglich-
keit ganz entzückende Erscheinungen. Das Streben
nach der Abwechslung, dem Neuen, herrscht bei ihr
besonders stark, und es wird wirklich sehr Origi-
nelles geboren.

Hierher gehört jene gewaltige Farbendruckin-
dustrie, welche sich mit Glückwunschkarten, Erinne-
rungsblättern, Albums, Karten u. s. w. beschäftigt.
Wundervoll ausgestattet sind die Reklamekarten,
welche die Eisenbahnen zur Empfehlung ihrer Linien
gratis verteilen; sie bringen reizende Landschaftsbilder,
Vignetten', Text, Bahnkarten, Fahrpläne, Tabellen,
Annoncen u. s. w., das Ganze in praktischem klein-
gefaltetem Format. Die Reproduktionen nach Pho-
tographieen landschaftlicher Sehenswürdigkeiten sind
vortrefflich.

Humoristisch und wirkungsvoll sind jene An-
zeigen von Geschäftsleuten, welche ihr kleines Em-
pfehlungsheftchen schon am Umschlag in seiner Be-
deutung charakterisiren. So hat man Büchlein mit
einem steifen, bunt gepressten Umschlag in Brot-
form, in dem sich ein Bäcker, in Hutform, in dem
sich ein Hutmacher empfiehlt u. s. w.

Bedeutende Reklamemittel sind das elektrische
Licht und die Musik, über welche zu erzählen nicht
hier der Ort ist.

MAX SELIGER, Maler.

V&k

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