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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 5.1894

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Schlie, Friedrich: Das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.4565#0210

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DAS HAMBURGISCHE MUSEUM FÜR KUNST UND GEWERBE.

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Mau sehe nur diese Prachtstücke des „style rayonnant"
und „döcor ferronnerie", sowie die herrlichen Leistungen
eines Louwys Fictoor", Samuel van Eenliorn, Adriaan
Pynacker u. a. m. Aher dennoch ist der Verfasser, der
hier den Text seines Buches mit einer Fülle feinsinniger
Bemerkungen durchwebt hat, nicht blind gegen Keime
des Niederganges in der Dekoration und gegen Miss-
verständnisse bei der Nachahmung asiatischer Motive.
Die Besprechung der Behang-, Spitzen- und Fadenmuster
von Rouen, mit denen so viel Reizendes geschaffen
worden ist, schließt z. B. mit den Worten: „Der Keim
des Todes, welchen die Ornamentik der Rouener Fay-
encen in sich trug, beruhte in der ausschließlichen An-
wendung fertiger, rein konventioneller Motive, denen
kein frisches Leben durch die Ableitung neuer Motive
aus Naturformen zugeführt wurde". Sehr beachtenswert
ist ferner ein Teller aus der Delfter Fabrik „de Paauw",
bei welchem darauf hingewiesen wird, dass der Dekor

wähnt sein möge, das D in der Bezeichnung D P nicht
als Dominium oder Domäne, sondern als Dietrichstein
gedeutet wissen zu wollen. Ferner halten wir es für
richtiger, bei der Marke von Münden von Mondsicheln
und nicht von Halbmonden zu sprechen.

Unter den nordischen Fayencen spielen die aus den
schleswigholsteinischen Städten Schleswig, Eckernförde.
Kiel, Stockelsdorff, Kellinghusen, Rendsburg, Flensburg,
Plön, Oldesloe und Altona eine besondere Rolle. Hier
gelangte man au einigen Stellen, besonders in Eckern-
förde, Kiel und Stockelsdorff, zu ganz hervorragenden
Leistungen, die es mit dem Besten dieser Art in Europa
aufzunehmen vermochten. Bei dein ungemeinen Eifer
und Geschick, womit nun Brinckmann die Hamburger
Fayencensammlung ins Leben gerufen und in die Höhe
gebracht hat, ist es deshalb kein Wunder, wenn die
große alte See- und Handelsstadt Hamburg, zu deren
nächsten Hinterlanden die meerumschlungenen Herzog-

Truhe der Anna von Freuden vom Jaure 1711; Eichenholz. Aus dem Lande Hadeln. Länge 1,80 m.
(Aus dem Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg.)

„au tonnerre" (Blitze aus Wolken mit Blütenstauden)
aus missverstandenen Darstellungen von Zickzackbrücken
japanischer Jristeiche abzuleiten ist. Hervorragend
schöne Gruppen des Museums sind auch die Fayencen
von Moustiers. Sceaux, Marseille. Straßburg und Nieder-
willer, S. 335 ff.

Dass neuere Forschungen überall die eingehendste
Berücksichtigung gefunden haben, ist selbstverständlich.
Was z. B. in dieser Beziehung Professor von Drach in Mar-
burg aus Archiven ans Licht gezogen hat, ist bei den
Kapiteln über Hanau, Fulda, Höchst, Frankfurt a. M. und
Kassel, Münden u. s. w. in ergiebigster Weise zur Geltung
gelangt Bei der Besprechung von Proskau hätte freilich
die Fürst Dietrichstein'sche Periode von 1769 bis 1783
Erwähnung finden können, an deren Erforschung Alwin
Schultz, Wernickfl und von Czihak beteiligt sind. Vgl.
Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift HL S. 419 ff. IV,
S. 175 und Y. S. 85. Dort scheint man. was hier er-

tümer gehören, zum ersten und bedeutendsten Konzen-
trationspunkt ihrer Fayencen und somit, wie es scheint,
für alle Zeiten zum Hauptarchiv dieser oft durch feinsten
Schmelz und zarteste Bemalung ausgezeichneten nord-
deutschen Thonurkunden des vorigen Jahrhunderts ge-
worden ist. " Es wird schwerlich sonst irgend wo noch
gelingen, es hierin dem Hamburger Museum gleich zu
thun. Dem entsprechend haben denn auch die seit Jahr
und Tag auf diesen Gebieten betriebenen archivalischen
Forschungen zu umfangreichen neuen Kapiteln der
Keramik geführt, deren die Handbücher in Zukunft
nicht mehr werden entraten können, und in denen neben
vielem, was lehrreich ist, auch manches Ergötzliche vor-
kommt. Man lese z. B. in dem Kapitel über Stockels-
dorff die Erzählung von den Schicksalen des Peter
Graff'schen Ofens in Lübeck und von der Hartnäckigkeit
des damals heruntergekommenen dortigen Töpferamts
gegen das Eindringen einer Konkurrenz in die Mauern

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