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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 6.1895

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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4566#0024

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KLEINE MITTEILUNGEN.

und bei der Auswahl der Muster den Standpunkt so wählt,
dass möglichst viele gewerbliche Interessenkreise berührt
werden, nur so ist es möglich, die stilistische Einsicht und
künstlerische Anregung zu selbständiger Verarbeitung in
weitere Kreise zu tragen. Der Direktor der Bibliothek
am königl. Kunstgewerbemuseum zu Berlin, Dr. Peter
Jessen, hat es vortrefflich verstanden, aus der Menge
des Materials solche Beispiele auszuwählen, die in der That
nicht nur die Wandlungen in der dekorativen Formenent-
wickelung vom Stil Louis XIV bis zum Ende des Rococo
klar erkennen lehren, sondern auch an sich die Merkmale
der jeweiligen Stilphase so prägnant und künstlerisch wert-
voll zur Schau tragen, dass sie den nach stilistischem An-
halt und fördernder Belebung seiner Phantasie verlangen-
den Praktiker zu befriedigen vermögen. In den 120 zinko-
graphirten Tafeln — meist nach Zeichnungen von hinrei-
chender Deutlichkeit des Details und gutem Formverständ-
nis — ziehen an unseren Augen alle wichtigen Formen in
charakteristischen Beispielen verschiedenster Technik vor-
über. Den Lehrwert dieser Mustersammlung erhöht noch
eine kurze Einleitung des Herausgebers, welche in klarer
Weise die besonderen Merkmale der einzelnen Stilphasen
des Rococoornamentes und seiner Vorstufen erläutert. Wer
die Schwierigkeit einer solchen analytischen Skizzirung
der Hauptformen dieser an Varietäten so reichen Stilent-
wickelung zu ermessen weiß, wird dem Autor für die
sachliche Schärfe seiner Auseinandersetzung alles Lob zollen.
Lehrenden und Lernenden, vor allem aber ausübenden Kunst-
gewerbetreibenden ist mit diesem wohlfeilen Atlas des Ro-
cocoornamentes ein wirklich nützliches Hilfsmittel ihrer
Studien an die Hand gegeben. RICHARD GRAUL.

-u- Berlin. Vom Verein für deutsches Kunstgewerbe
machten am 12. September etwa 300 Mitglieder mit ihren
Damen einen Ausflug nach Spindlersfeld xitr Besichtigung
der Färberei und chemischen Waschanstalt W. Spindler.
Die Gesellschaft wurde bei der Ankunft von Herrn Kommer-
zienrat Carl Spindler herzlich begrüßt, und es erfolgte so-
dann die Führung durch Beamte der Anstalt in zwölf Ab-
teilungen. Die Wanderung begann durch die großen Speise-
säle der Arbeiter und Arbeiterinnen nach dem ersten Kessel-
haus mit neun Dampfkesseln und nach dem Raum mit den
Betriebsmaschinen, unter denen besonders eine Dampfpumpe
Aufsehen erregte, welche in einer Minute 15000 Liter Wasser
aus der Spree der Fabrik zuführt. Die Arbeitssäle, einge-
richtet für Bleicherei, Färberei, Druckerei und Appretur von
Gardinen und Stoffen sind von gewaltiger Ausdehnung,
ebenso die Abteilungen der chemischen Wäscherei. In letz-
teren war für die Damen besonders lehrreich das Reinigen
und Färben von schmutzigen und verschossenen Putzfedern,
von Frauen-, Männern- und Kinderkleidern, von Weißzeug,
Handschuhen, Schirmen, Bändern, Spitzen, Stickereien, Mö-
beln, Teppichen, Kupferstichen u. dergl., eine Reinigung, die
durch sehr sinnreich konstruirte Maschinen unter Leitung
von Menschenhänden ausgeführt wird. Für diese Betriebe

erzeugen etwa 3S Dampfkessel die erforderliche Dampf- und
Heizkraft. Die Fabrik besitzt ihre eigenen mechanischen
Werkstätten, Kupferschmiede, Böttcherei, Feuerwehr u. dergl.
Überraschend ist die musterhafte Ordnung und Reinlichkeit,
sowie die Zuführung von Licht und Luft in allen Räumen,
in denen insgesamt 2000 Menschen beschäftigt werden.
Alle humanitären Einrichtungen sind vorzüglich; erwähnt
seien hier nur das Badehaus, das Rudersporthaus und das
Erholungshaus mit einem Theater, sowie die aus 52 Mann
bestehende Musikkapelle. Nach Besichtigung der interes-
santen Kläranlagen der Abwässer aus der Fabi-ik ging es
nach dem Park, der Obstplantage und der Gärtnerei, wo
ein Aufbau edler Obstsorten den Gästen als Erfrischung
geboten wurde. Der Rundgang nahm zwei Stunden in An-
spruch und endete in dem imposanten, von Baurat Kyll-
mann erbauten großen Erholungshause, wo alsbald der
zweite Vereinsvorsitzende, Herr Fabrikant Otto Schulz, dem
Herrn Kommerzienrat Spindler den Dank des Vereins für
die Erlaubnis zur Besichtigung der Fabrikanlagen in ver-
bindlichen Worten abstattete. Herr Kommerzienrat Spindler,
welcher selbst Mitglied des Vereins ist, erklärte die Be-
ziehungen der Kunstfärberei zum Kunstgewerbe und trank
auf das fernere Wohl des in so überraschend gedeihlicher
Entwickelung begriffenen Vereins für deutsches Kunst-
gewerbe. Der Vereinsschatzmeister gedachte in humorvoller
Rede der Familie des Herrn Kommerzienrat Spindler und
verkündete den Anwesenden den Beitritt desselben als immer-
währendes Mitglied, welche Botschaft die Anwesenden zu
einem kräftigen Hoch auf den Fabrikherrn und sein Unter-
nehmen begeisterte.

ZU UNSEREN BILDERN.

Ehrenpreis des deutschen Kaisers für das XL Deutsche
Bundesschießen in Mainz. Dieser Ehrenpreis, in einem
doppelhenkeligen Humpen aus getriebenem Silber auf Mar-
morsockel bestehend, wurde im Auftrage des Kaisers und
Königs Wilhelm IL von E. Doepler d. j. (Professor und
Lehrer am Kunstgewerbemuseum) entworfen und von Cise-
leur Gustav Lind in Berlin in Silber ausgeführt. Die Höhe
beträgt mit Sockel ca. 80 cm, das Gewicht gegen 6000 g.
Sowohl der Reichsadler wie auch der Anhänger mit dem
Wappen von Mainz sind emaillirt. Das Gefäß ist in seinen
großen Flächen polirt; nur kleinere Partieen sind matt und
teilweise vergoldet. Die Durchbildung aller Details in sorg-
fältigster Weise, durchweg reine Handarbeit.

Zu der Farbentafel. Das schmiedeeiserne Grabkreuz,
das wir heute in einer Reproduktion aus der lithograpl ischen
Kunstanstalt von J. O. Fritxsche in Leipzig veröffentlichen,
wurde bei der Monatskonkurrenz des Vereins für deutsches
Kunstgewerbe im Mai 1892 mit dem 1. Preise gekrönt; der
Entwurf stammt von Ernst Heinrich in Berlin. Aus dem
Urteil des Preisgerichts heben wir hervor, dass neben der
künstlerischen Lösung der Aufgabe auch die technische und
die Art der Befestigung im Sandsteinsockel als lobenswert
hervorgehoben wurden. Es wäre zu wünschen, dass an Stelle
der gusseisernen Dutzendware unsere Friedhöfe sich mehr
mit schmiedeeisernen Grabkreuzen schmückten, von denen
sich in Süddeutschland und Österreich noch hervorragende
Beispiele aus früherer Zeit finden, die wir in früheren Jahr-
gängen des Kunstgewerbeblattes mehrfach veröffentlicht
haben.

Herausgeber und für die Redaktion verantwortlich:

Druck von August

Architekt Karl Hoff ucker in Charlottenburg-Berlin.
Pries in Leipzig.
 
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