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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 6.1895

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Jessen, P.: Pierre-Viktor Galland
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https://doi.org/10.11588/diglit.4566#0057

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PIERRE-VICTOR GALLAND.

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tische Pflanzen zu wenden, da schon die heimische Natur
Stoff für ein ganzes Lehen biete. Es ist anziehend zu
lesen, wie ihm zufällige Funde und Beobachtungen zur
Anregung wurden; auf der Straße studirt er Gesten
und Faltenwurf; ein erbeuteter Schmetterling wird ihm
zum farbigen Gedicht.

Diese unermüdliche Arbeit und Selbstzucht spricht
sich in rührender Art auch in seinen täglichen Auf-
zeichnungen aus, von denen Havard manches mitteilt.
Die Grundsätze, die er in Erinnerung an seine ver-
storbene Gattin niederschreibt, können für jeden
Schaffenden gelten: „Leiste täglich ein wirkliches Stück

renaissance und der Kunst der Begence; alles Figürliche
hat einen Zug der Grazie, der oft selbst zum Gezierten
neigt; die gestreckten Proportionen der Figuren und
die oft erzwungenen Kontraposte in der Bewegung er-
weisen sich als Nachklänge der Schule von Fontaine-
bleau; in den Kompositionen fesselt nicht der tiefere
Gehalt der meist oberflächlichen Allegorien, sondern der
Beiz der Anordnung; was dem Meister unter die Hand
kam, gewann einen Zug der Anmut, den man wohl als
eigentlich „dekorativ" bezeichnet.

Allein diese Auffassung ist doch nur im Sinne der
französischen Schule dekorativ und kann nicht als all-

Die Zimmerleute. (Aus den Handwerkerbildern.) Dekoration im Pariser Stadthaus von P.-V. Galland.

nutzbringender Arbeit; wisse jeden Morgen, was den
■lag über gethan werden soll; beende jede begonnene
Arbeit; beginne vorher keine neue Arbeit, nicht einmal
als Skizze oder im Kopfe; denke während der Arbeit
mc'ht an das, was du sonst noch tlian möchtest, sondern
an das, was du im Augenblick thust'.

Galland's Kunst, von der wir unseren Lesern durch
dle Güte der Verlagshandlung einige Proben mitteilen
können, ist in allen Stücken echt französisch. Die
strenge Erziehung im klassischen Geschmack spricht
aus seiner Architektur; die Hauptformen seines Orna-
ments scheinen gemischt aus der französischen Hoch-

gemein giltig angesehen werden. Wir Deutsche glauben
das Dekorative in der kraftvollen Weise unserer Be-
naissance zu finden; die heutige englische Bichtung sucht
zu beweisen, dass auch die am Griechischen geschulte
Einfachheit echt dekorativ ist. Wir werden daher gut
thun, bei Galland's Werken nicht zu vergessen, dass sie
aus französischem Geiste geboren sind; wollen wir sie
nützen, so dürfen wir sie nur mit dieser Einschränkung
studiren. Unbedingt vorbildlich aber ist die Persönlich-
keit dieses unermüdlichen Vorkämpfers der Gesamt-
kunst. Möchten recht viele unserer Landsleute sie aus
Havards trefflichem Buche lieb gewinnen.

P. JESSEN.
 
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