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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 6.1895

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Buss, Georg: Das Haus des deutschen Reichstages, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4566#0099

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DAS HAUS DES DEUTSCHEN REICHSTAGES.

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bevorzugte Bäume des Hauses liegen. In jedem Interko-
lumnium der übrigen Fronten liegen, entsprechend den drei
Geschossen, in einer Achse drei schlicht umrahmte, klei-
nere Fenster mit geradem Sturz, deren oberstes als ge-
meinsames und zusammenfügendes Glied der Gruppe gleich-
falls wie jenes in der Front am Königsplatz eine Giebel-
verdachung erhalten hat. Begründet sind diese kleineren
Fenster durch den Umstand, dass hinter ihnen Bäume
einfacher Bestimmung, und zwar solche für Geschäfts-
und Verwaltungszwecke, liegen.

Ihren Schmuck haben diese Fronten, abgesehen von
ihren Bisaliten, vornehmlich in Fensterschlusssteinen
erhalten. Den gewaltigen Bogen der Front am Königs-
platz sind mächtige, von Leben durchglühte Köpfe ein-
gefügt, mit denen Prof. Widemann-Frankfurt all.
charakteristisch und scharf die deutschen Flüsse: Neckar,
Isar, Weser, Weichsel, Rhein, Main, Spree, Elbe, Havel
und Oder personifizirt hat. Die zugehörigen Fenster-
einstellungen sind in der Mitte bekrönt mit den Wappen
deutscher Städte. Dieses heraldische Element setzt sich
fort in den Schlnsssteinen der Fenster des Zwischen-
geschosses der übrigen Fronten, und zwar sind hier die
Wappenschilde der Bundesstaaten mit ihren in den Stein
gemeißelten Namen angebracht. Ein weiterer ornamen-
taler Schmuck ist mit gutem Grunde nicht beliebt
Worden.

Aus diesem klar gegliederten Frontensystem mit
seiner einfachen Ornamentik treten als die bevorzugten
Glanzpunkte der Architektur die Mittelrisalite, in denen
sich die Portale befinden, die Ecktürme und der Kuppel-
aufbau hervor. Hier erst singen das Ornament und der
figurale" Schmuck ihr hohes Lied.

An der Westfront am Königsplatz ist mit vor-
gelagerter, von stattlicher Auffahrt unterbrochener Frei-
treppe, auf deren oberen Wangen kraftvolle Löwen
lagern werden, das Mittelrisalit als sechssäuliger Vorbau
gestaltet. Beherrschend tritt dieser Bau, in dem das
dreithürige Festportal liegt, vor die Front. Sein Fries
soll die Inschrift erhalten: „Dem deutschen Reich!"
«n Giebelfelde hat Prof. Schaper - Berlin in leider
nicht kraftvoll genug wirkender Komposition Kunst und
Industrie unter dem Schutze des deutschen Beiches ver-
sinnbildlicht: in der Mitte lehnt an einen Eichbaum
das Wappenschild mit dem Beichsadler, flankirt von den
zwei schirmenden Heroengestalten eines Preußen und
eines Bayern, und nach den Ecken hin lagern Gruppen
Dealer Gestalten: rechts Kunst und Wissenschaft, links
Handel und Industrie. Innerhalb der Giebelhalle streben
zwei von Prof. Otto Lessing-Berlin nach Wallot's Ent-
würfen in Belief modellirte Stammbäume von glück-
lichster Erfindung empor. Sie schließen das dreithürige
* ortal ein. An den mächtigeil Eichstamm des einen
Magert die poesieumflossene Gestalt des Vater Rhein und
an dem knorrigen Fichtt-nstainm des andern jene der
Weichsel. Oberhalb dieser Gestalten der beiden Haupt-
Kunstgewerbeblatt. X. F. VI. H. 5.

Eekbildung unter dem Gesims der 4 Ecktürme.
Modellirt von Prof. 0. Lessing, Berlin.

ströme im Osten und Westen des Beiches hängen an
dem Geäst der Bäume in reizvoller Anordnung und
flankirt von Genien die Wappenschilde der deutschen
Bundesstaaten, malerisch umrahmt von dem hier und da
hervorquellenden Laubwerk. Von den Stammbäumen
fällt der Blick zu der packenden Krönung über dem
Sturz der Mittelthüre. Hier reitet hoch zu Boss un-
widerstehlich die erzgepanzerte Gestalt des Drachen-
töters St. Georg dahin — der Held trägt des eisernen
Kanzlers Züge. Nach dem Modell Prof. Siemering's-
Berlin ist dieses treffliche, vom Geiste echter Volks-
tümlichkeit durchwehte Kunstwerk in Stein gemeißelt.
Von oben funkeln aus dem Kassettenwerk der Decke die
goldenen Initialen der drei Kaiser aus dem Hohenzollern-
hause herab. Abgesehen vom Kassettenschmuck, kommt
dieser Innenschmuck der Giebelhalle auch nach außen
hin zur vollsten und schönsten Wirkung. Von ihm
hinauf schweift der Blick über das Giebelfeld zur Höhe.
Hoch über dem Giebel prangt als Krönung auf der
über dem Kuppelraume der großen Wandelhalle liegen-

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