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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 6.1895

DOI Artikel:
Buss, Georg: Das Haus des deutschen Reichstages, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4566#0130

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DAS HAUS DES DEUTSCHEN REICHSTAGES.

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Fries und Medaillon (s. unten) in der Wandelhalle (Königreich Sachsen). Modellirt von Professor 0. Lessing, Berlin.

der Untiere, gebildet werden. An der südlichen Schmal-
seite öffnet sieh zum Nebenraum eine breite Flügelthür, die
als Supraporte eine Uhr mit Hinweisen auf den schnellen
Flug der Zeit und auf dir Vergänglichkeit menschlicher
Institutionen, insbesondere auch des Eeiehstagsmandats,
erhalten hat. Der Gesamteindruck wird wesentlich be-
dingt durch die von 0. Hupp-Schleißheim in den un-
verwüstlichen Keim"schen Mineralfarben auf weißem
Putz ausgeführte Gewölbemalerei.

Ein dichter Wald von
krausem, distelartigem Laub-
werk in blau-grünen Tönen,
wie es die Spätgotik liebte,
untermischt mit gelb-rötlich
schimmernden Äpfeln, breitet
sieh oben wie ein Laubdach
aus. I »en Pfeilern zwischen
den Thüren und den Fen-
stern entwachsen die kräf-
tigen bräunlichen Stämme,
von denen das phantastische
Astwerk mit der üppigen
Fülle der Blätter und Früchte
ausgeht. Und zwischen diu
Stämmen und dem Geäst
tummeln sich im Verein mit
allerlei Getier dralle Patten,
die ihre Max- und Moritz-
Natur in übermütigen Strei-
chen bekunden: lüstern klet-
tern sie nach den Äpfeln
empor, balgen und zerzausen
S1ch, schneiden Grimassen,
kneifen Hinz, den armen
Kater, in den Schwanz, und
gönnen selbst dem Mutter-
schwein mit den Ferkelchen
keine Ruhe. In der mittle-

ren Fläche des Gewölbes ist ein oblonges Feld ausge-
spart, das auf weißem Grunde in gebietender Größe den
deutschen Reichsadler mit der Kette des Schwarzen Adler-
Ordens und der Unterschrift: „Sub umbra tuarum alaruni
protege nos" trägt. Zu Raupten des Adlers prangt die
deutsche Kaiserkrone, zu Füßen der mit hohem Kreuz
besteckte Reichsapfel und in gekreuzter Anordnung
Reichsschwert und adlerbekröntes Scepter. Über den
fünf Thüren sind die Wappen der deutschen Fürsten-
häuser, immer drei zu einer
Gruppe verbunden und unten
mit einem 1 nschriftbande ver-
sehen, mit ihrem farbenpräch-
tigen, phantastischen Helm-
schmuck dem grünen Laub-
werk eingeordnet. In der
Lünette der nördlichen
Schmalseite, vor der das
Eichenholzbüffet steht, hal-
ten geflügelte Greifen den
schwarz-weiß quadrirten
'••>,. Wappenschild der Zollern.

\ Dieser gesamte farbige

Schmuck ist in Anlehnung
I an mittelalterliche Vorbilder

V. breit und flott gemalt und

für das bedeutende Können
seines Meisters bezeichnend.
Insbesondere ist der Charak-
ter des ornamentalen Flächen-
schmuckes bestens gewahrt.
Aber das lässt sich nicht
^;_ > verkennen, dass er etwas un-

ruhig und schwer wirkt und
zudem weder in farbiger
noch formaler Beziehung mit
der hellbraunen Wandvertä-
felung eine vollkommene
 
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