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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 6.1895

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Erhard, Paul: Gmünder Filigran
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https://doi.org/10.11588/diglit.4566#0154

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GMÜNDER FILIGRAN.

135

armen, heruntergekommenen Mainzer Goldschmiede
schlagen Lärm und wollen gegen den Eindringling ge-
schützt sein; da sie unfähig sind, durch Bessermachen
der Konkurrenz zu begegnen, sind sie bereit, ihr durch
.Schlechtermachen, d. h. durch noch geringeres Material
entgegenzutreten, dazu bedurfte es einer Herabsetzung
des gesetzlichen Feingehaltes. Doch wie weit hätte man
heruntergehen müssen, um mit Schwäbisch Gmünd zu
konkurriren? Man könnte auch die Stadttliore der
Gmünder Ware verschließen, aber einerseits darf man
das Marktrecht, das andere Vorteile bietet, nicht zu sehr
beschränken, andererseits war man mit den damaligen
Mitteln noch viel weniger als
heute im stände, eine geheime
Einfuhr zu hindern. Die zu-
ständige Mainzer Behörde hatte
schließlich — denn man lebte
noch damals unter dem Zeichen
des Freihandels — ein Ein-
sehen und gestattete, dass
Fingerhüte, Einge, Kreuzlein
und Agnus Dei eingeführt wer-
den dürfen, während andere
Ware den in der Stadt üblichen
Feingehaltsbestimmungen un-
terliegen sollten.

Bei diesen Verhandlungen
wurde eine amtliche Probe von
Gmünder Ware vorgenommen
und ergab folgendes Resultat:

Lot Gran

Henidknöpfe . .

. 11 15 V2

Schuhschnallen .

.11 4'/2

Handbandschlösser

. 10 12

Kleiderknöpfe .

. 7 —

Kleine Knöpfe .

. 6 11

Wir lernen

aus diesem

Verzeichnis nicht nur den ge-
ringen Gehalt, sondern auch
das Feld dieser Goldschmieds-
arbeit kennen, geringe Ware
für den gemeinen Mann und
kleine Stücke, die in der
Tracht ihre Ver-
wendung finden. 1 >ie
Stadt Augsburg er-
laubte den Händlern,
Gmünder Ware zu
führen, mit alleini-
gem Ausschlüsse der
silbernen Knöpfe.

Aus den Akten
der Münchener Gold-
Bchmiedezunft er-
zählt uns Dr. M. Ro-

Kelch in der Kathedrale zu Colle di Val d'Elsa.

senberg weiter, dass sich der Magistrat Münchens ent-
schloss, die Einfuhr von Gmünder Ware unter 12 Lot
zu verbieten.

Es kann bei alledem nicht wunder nehmen, dass
in der Mitte des vorigen Jahrhunderts der Handel sich
bedeutend hob und dadurch ein gewisser Wohlstand in
Gmünd zu finden war. Nach Krieg, Pestilenz und teurer
Zeit, Schweden- und Franzosennot, hatten sich die Gmün-
der schnell erholt, was die vielen schönen Bauteil des
Johann Michael Keller von 1725—1783 deutlich be-
weisen. Grossisten wie Ilomerio, Michael Dehler,
Johann Dehler, Schwärzenberg, Franz Anton Mayer,
Xaver Franz und die Familie
Wildanger, welche Schiffe für
den Verkehr mit Südamerika
ihr eigen nennen konnte, sorg-
ten für den rationellen Ver-
schleiß der Waren. Von Gold-
schniiedmeistern oder besser
Silberfiligranschniieden sind zu
nennen: Johann Maierhöfer,
Anton Maicrhöfcr, geb. 1755,
Simon Kultier, 1762 bis 1829,
Anton Seybold, Valentin Hohl-
bein, Johannes Knoll, Matthäus
Wagner, Johann Köhler, Jo-
hann Herz er, Joseph Iieiss,
Joseph Eiser, Anton Ncubcr,
Leopold Kucher, Johann Knoll
jun., Joseph Wagner.

Von allen diesen Meistern
sind die G eschäf tszeichenb ücher
in der J. Erhard'schcn Gmün-
der Altertums-Sammlung auf-
bewahrt. Beim Besichtigen
derselben fällt auf, wie die
Filigranarbeit sich von den da-
maligen zeitgemäßen Archi-
tekturstile, dem Rokokostile,
nicht beeinflussen ließ, sondern
mitten in der Zopfzeit bei der
Renaissance ausharrte. Die
Struktur des Filigrans eignete
sich am besten für
den Renaissancestil
mit seinen Voluten
Der Charakter des
Rokokostils passte
weniger dafür. So
finden wir in den
Zeichenbüchern des
Johann und Anion
Maicrln'>fcr,gvb.l 755,
und Simon Knlili r,
1762, Entwürfe aus
 
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