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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 6.1895

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Tafel 18
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Französische Urteile über deutsche Kunstgewerbeschulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4566#0225

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200

FRANZÖSISCHE URTEILE ÜBER DEUTSCHE KUNSTGEWERBESCHULEN.

B -

-

a

Zu dieser Ursache muss man eine zweite hinzufügen, die sieh auf die
Veränderung der Lebensweise und die allgemeine Ausbreitung des Luxus in
allen Gesellschaftsklassen bezieht.

Früher, wie das Bedürfnis des Wohlbehagens und des Luxus
weniger verbreitet waren, war die Produktion notwendigerweise be-
schränkter; der Arbeiter, der Künstler gefiel sich darin, seinem
Werke die Anmut und vornehme Vollkommenheit der Ausführung
zu geben, die die französische Arbeit kennzeichneten.

Um diese Eigenschaften zu erreichen, war eine Aus-
führung von Künstlerhand nötig, die den eigentlichen
innern Wert des Objekts verzehnfachte.

Die Kleinodien erreichten einen erhöhten Preis,
sie blieben einer kleinen Zahl von Personen vorbe-
halten,, die in einer Umgebung aufwuchsen, wo seit
Menschenaltern gesunde Kunsttraditionen herrschten.
Diese besondere Kundschaft war dank ihrer Er-
ziehung im stände, den Wert eines Gegenstandes
zu schätzen und ihre Mittel erlaubten ihr, einen
entsprechenden Preis zu zahlen.

Zu dieser Kundschaft gesellte sich nuu
eine andere viel gemischtere und viel ausge-
dehntere; leider hielt die Entwickeluug des
künstlerischen Sinnes dieser zweiten Kategorie
nicht Schritt mit ihrem Wunsche, zu glänzen.
Dieser wenig entwickelte Kunstsinn begnügte
sich mit dem Ungefähr; die Einfachheit des
Schönen sagte ihm nicht zu, es bedurfte auf-
fallender und minderwertiger Gegenstände. Um
den Bedürfnissen, die diesem neuen Zustand
entsprangen, zu entsprechen, befand sich die
Industrie unter dem Doppelzwange rasch
hervorzubringen und die Preise niedriger zu
stellen. Heutzutage scheint in der Tliat die
Formel sich in zwei Worte zusammenfassen
zu lassen: Schnell und billig. Alle Welt,
wünscht zwar Juwelen, aber niemand mag sie
gut bezahlen. Die Kundschaft hat sich ver-
mehrt, aber die Preise sind in weit beträcht-
licherem Maße gesunken.

In dem Verhältnis, wie in unseren Industrien
diese Schwierigkeiten sich fühlbar machten, wur-
den die guten Arbeiter seltener und man suchte
immer weniger Ersatz dafür. Die, französische Bi-
jouterie musste durch die Nötigung, billige Artikel
herzustellen, mit Kräften arbeiten, die der größeren
Produktion zuliebe die Form und vollendete Durcharbei-
tung opferten.

Dieser Umwälzung ist ohne Zweifel der Mailgel an
Kunsthandwerkern zuzusehreiben, unter dem wir leiden, und
die Schwierigkeit, Werkführer und Atoliervorsteher zu bekom-
men, die fähig sind, die Arbeit in ihren verschiedenen Wand-
lungen zu leiten. Diese Veränderung kam so schnell, dass unsere
Industrie davon überrascht wurde; sie war nicht im stände, den
neuen Anforderungen so unmittelbar nachzukommen, die durch die neue
Lage geschaffen worden waren. Sie befand sich der Notwendigkeit gegen-
über, billig zu arbeiten, was nicht ihre Gewolinheit war.
 
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