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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

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Zur Wiener Dekorationsmalerei, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0009
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ZUR WIENER DEKORATIONSMALEREI.

als anderwärts. Die bedeutendsten Künstler, welche an
ihnen wirkten, haben nicht Schule gemacht; die jun-
gen Talente, welche den älteren ihre Ausbildung ver-
danken, sind mit dem Augenblicke ihres Austrittes
aus dem Meisteratelier, fast ausnahmslos
und unvermittelt von der Kichtung ihrer
Lehrer abgesprungen und bethätigen sich
in einer Weise, welche nach alter Auf-
fassung des Begriffes kaum mein' aka-
demisch genannt werden kann. Und noch
eine andere Erscheinung im Wiener Kunst-
leben giebt zu denken. Die tüchtigsten
unter den jüngeren Wiener Dekorations-
malern sind überhaupt gar nicht aus der
Wiener Akademie sondern aus der Wiener
Kunstgewerbeschule hervorgegangen. So
die beiden Klimt, Matsch, Veith, ehe-
malige Schüler Laufbergers. Und auch
der zweite Nachfolger dieses Meisters,
Kaii Karger, hat bereits vielversprechende
Talente ausgebildet; und ebenso zieht
Matsch, seit zwei Jahren gleichfalls Pro-
fessor an der Kunstgewerbeschule, eine
ganze Schar aufstrebender Künstler heran,
welche bald von sich reden machen wer-
den. Sie Alle werden aber schließlich
auch ihre eigenen Wege gehen, der Eine
dahin, der Andere dorthin.

Wie immer aber das Verhältnis von
Lehrern und Schülern gegen früher sicli
geändert haben mag, wie immer auch
die jüngere Generation österreichischer
Künstler in freiem Bingen nach individu-
ellem Ausdrucke ihrer Talente den Cha-
rakter der Homogeneität abgestreift hat,
ein Charakterzug ist ihr doch geblieben,
der österreichische. Frei von Sentimen-
talität und frei von Gelehrsamkeit haben
die österreichischen Künstler sich bis auf
den heutigen Tag, mit wechselndem Glücke
und in verschiedener Art aber immer mit
Talent, der selbstgestellten Aufgabe un-
terzogen, die sinnerfreuenden Beize schöner
Formen anmutig und liebenswürdig dar-
zustellen und den Kultus der Farbe nach
jeder Richtung hin zu pflegen. In stoff-
licher Hinsicht haben sie Abstraktionen
nie kultivirt, sie haben immer das Kon-
krete und Reale in mehr oder minder
idealem Gewände bevorzugt, allegorische
Darstellungen lagen und liegen ihnen nicht,
da sie für Spitzfindigkeiten und. Gedankenschwere wenig
natürliche Neigung besitzen. Viel mehr entsprach ihnen
von jeher die mythologische Scene, die sie nach guter
alter Art ins Beinmenschliche aufzulösen wissen, und

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VSi

Wandmalerei von Ernst Klimt.

Aus den Zwickelbüdern im k. k. Kimsl

historischen Hofmuseum in Wien.

(Verlag von Anton Schroll & Co.)

heute das historische Genre, wovon noch die Bede sein
wird. Das specifisch Österreichische hat Karl Kahl in
die Wiener Kunst gebracht, obwohl er ein Eklektiker
war, die klassische Welt gegenüber dem umgebenden
Leben geflissentlich bevorzugte und gerne
zur Allegorie griff. Die hohe Wertschätzung
und liebevolle Durchbildung der Form
gegenüber einer in der gleichzeitigen deut-
schen Kunst beliebten Geistreichelei des
Inhalts, und die Anbahnung koloristischer
Virtuosität, welche sodann in Makart die
größten Triumphe feierte, sind charak-
teristische Merkmale der Bahl'schen Kunst
und durch ihn zu Elementen der Wiener
Kunst geworden. Viel mehr als seine
Ölgemälde haben seine Fresken auf die
Entwicklung der Wiener Kunst Einfluss
geübt, so vor Allem die Bilder im Stiegen-
hause des Arsenals und die zwölf allego-
rischen Figuren der Künste am Hansen-
schen Heinrichshof, der auch in Bezug
auf die Architektur des Wiener Zinshauses
Epoche gemacht hat. Die Bahl'sche Tra-
dition haben dessen vornehmste Schüler
Eisenmenger, Griepenkerl und Bitterlich
fortgesetzt. Sie haben die Entwürfe Rahl's
für die Oper ausgeführt und eine Fülle
selbständiger Arbeiten geschaffen, von
denen Eisenmenger's Fries im Stiegen-
raume der Hoffestloge des neuen Burg-
theaters unstreitig die bedeutendste Lei-
stung ist, bedeutender als vieles was die
Jungen ihm an die Seite gesetzt haben.
Je strenger sie aber den akademischen
Charakter ihrer Schule glaubten wahren
und die freie Entfaltung anders gearteter
Individualitäten nicht begünstigen zu sol-
len, desto rascher haben sich ihnen, nicht
immer zu deren Vorteile, ihre Schüler ent-
fremdet. Ganz frei von akademischem
Despotismus hat Christian Buben seine
Schüler geführt, er hat jeden nach seiner
Natur und Neigung behandelt und nur
geleitet, nie beeinflusst. So konnte es
geschehen, dass sich unter seinen Jüngern
die strengen Stilisten Trenkwald und
Rieser mit Künstlern wie Laufberger,
Leopold Müller, Grottger, Swoboda zu-
sammenfanden, von denen jeder in an-
derer Weise neue Züge in die Wiener
Kunst brachte. Und vor allem Lauf-
berger, der ausgezeichnete unvergessliche Figuralist und
Ornamentalist, hat, obwohl durch und durch ein strenger
Pädagoge, als Lehrer stets Zwang mit Freiheit zu paaren
gewusst und er hat jene liebenswürdigen anmutigen echt


 
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