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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

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Hofmann, Albert: Die kunstgewerbliche Bewegung in Nordböhmen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0026
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18

DIE KUNSTGEWERBLICHE BEWEGUNG IN NORDBÖHMEN.

Gotischer Thürklopfer, in Eisen geschnitten.
Aus den Sammlungen des Nordböhmischen Gewerbemuseums in Keiclienberg.

Die terrestrischen Verhältnisse eines
Landes sind bestimmend für sein wirtschaft-
liches Schicksal. Das zeigt deutlich das Land
Böhmen, das reichste Kronland der öster-
reichisch - ungarischen Monarchie. Während
in den flachen mittleren und südlichen Teilen
des Landes die landwirtschaftliche Produktion
die ausschließliche Eolle spielt, kommt die-
selbe in dem gebirgigen Norden von Grulich
und Friedland bis Eger, in einem Landstriche,
in welchem das felsige Gestein kaum so viel
Krume trägt, dass das Samenkorn darin zu
wurzeln vermag, so gut wie nicht zur Gel-
tung. Wo aber die landwirtschaftliche Pro-
duktion die vorhandenen Kräfte der Menschen,
Flüsse und Bäche nicht beschäftigt, da be-
mächtigt sich ihrer die Industrie. Das ge-
schah hier und aus kleinen Anfängen wurde
[im Laufe von drei Jahrhunderten der ge-
schäftigte Bienenkorb, als welchen das nord-
böhmische Industriegebiet vielfach und mit
Becht bezeichnet wurde. Denn es giebt wohl,
wenige Bezirke in Sachsen and in der Bhein-
provinz ausgenommen, in ganz Deutschland
und Österreich kaum ein Industriegebiet von
solcher Intensität und mit Arbeitskräften von
solcher Intelligenz wie hier. Der Wanderer,
der die nordböhmischen Industriebezirke gern
zu Fuß durchwandert, um ihre Eigenart in
Betrieb und Erzeugnis näher kennen zu ler-
nen, kann in den Thälern weite Stunden
zwischen hübschen, sauberen Häusern, in
welchen der Fleiß ihrer Insassen von Sonnen-
aufgang bis Sonnenniedergang und darüber
hinaus geschäftig rege ist, zwischen statt-
lichen Fabriken, in denen in tausendfältiger
Vervielfältigung geschaffen wird, was dort
mühsam der rastlosen Hand nur einzeln ent-
springt, hin wandeln: stundenlang begleitet
ihn rechts und links das emsige Getriebe hoch
entwickelten Gewerbfleißes. In allen Stadien
ihres Werdens zieht die industrielle Ent-
wicklung an dem Auge des Wanderers vor-
über, denn wie kein anderer Industriebezirk
ist dieser Bezirk reich an wechselnden Kul-
turbildern wie an wirtschaftlichen und poli-
tischen Erscheinungen, die leider nur zu oft
Hand in Hand gehen. Hier zeigt sich dem
Auge des Beschauers der weite Weg, den die
Kulturgeschichte der Menschheit zurückgelegt
hat von der einsamen Hütte des Glas- und
Waldarbeiters, der mit dem beseligenden Ge-
fühle der Freiheit Tag für Tag unverdrossen
an seine harte, ewig gleiche Arbeit geht, die
ihm nur kargen Lohn bringt, bis zu den
 
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