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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

DOI Artikel:
Weese, Artur: Das Reichsgerichtsgebäude in Leipzig, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0053
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DAS REICHSGERICHTSGEBÄUDE IN LEIPZIG.

Justitia.

Bekrönung des Reichsgerichtsgebäudes in Leipzig.
Modellirt von Otto Lessing-Berlin.

Die Korridore, die zu den Bureaus führen, sind mit
einfachen Tonnengewölben gedeckt, die ohne Gesims in
die Wand hinüberleiten, eines der kleinen Mittel, durch
die Hoffmann mit weiser Sparsamkeit nicht bloß seine
finanziellen, sondern auch seine künstlerischen Mittel
auf die Hauptmotive konzentriren konnte.

Nach diesem Grundsatze sind auch die Sitzungs-
säle ausgestattet. Einfache zart profilirte Paneele be-
decken den Sockel der Wand, eine Ledertapete oder ein
in schwachem Eelief ausgeführter Stuckfries reicht bis
zur Decke, die in stattlicher Eichenholzschnitzerei nach
der Art der Augsburger Eathausdecken behandelt sind.
Figürlicher Schmuck wird nur auf die Thür verwendet,
die derart in diesen Räumen jedesmal den Hauptan-
ziehungspunkt bildet; treten doch auch durch sie die
Räte ein, die das Urteil den Harrenden künden. Eine
erfinderische Symbolik ist über die Ornamente und Fül-
lungen ausgegossen, deren Inhalt hier zu erörtern der
Raum nicht gestattet. Der stimmungsvolle Ernst und
die Würde dieser reich und doch nirgends überladen aus-
gestatteten Räume zeugt von einer vielseitigen Gewandt-
heit und architektonischen Universalbegabung, die Hoff-
mann in die Reihe der ersten Baumeister erhebt.
Am deutlichsten erhellt das, wenn wir aus dem Haupt-
sitzungssaal an der Ostfront, dessen feierliche Ruhe fast
beklemmend wirkt, in die heitere, farbige Vornehmheit
des Festsaales in der Präsidentenwohnung eintreten.
Glücklicher konnte der Gegensatz der Stimmung nicht
getroffen werden. Dort das Eichengetäfel an den Wän-
den, die schwere Decke, geziert mit den Wappen der
Bundesstaaten und derjenigen Städte, die ein Oberlandes-
gericht besitzen, die hohen Fenster mit buntem Glas-
schmuck, die einfach-strenge Gediegenheit der gesamten
Ausstattung, der amphitheatralisclie Einbau mit den
Plätzen für die Zuhörer — das giebt ein Bild uner-
bittlichen Ernstes, da alles in schweren, wuchtigen For-
men gehalten ist. Die heitere Pracht des Festsaales
dagegen wird durch die rötlichen Säulen in Stuckmar-
mor, den grünen Sockel der Wände, das bewegte und
vielfach gegliederte Tonnengewölbe der Decke mit dem
hellfarbigen Plafondgemälde von Max Koch in Berlin,
den Einzug Apollos mit den neun Musen in das Reich
der Justitia vorstellend, durch die kleineren Darstellungen
im Oberteil der Wand: ein Venezianer Patrizier, der
von seinem Arbeitstisch durch einen Diener in den Kreis
der Gäste geholt wird, und eine edle Frau, der Prunk-
gefäße dargereicht werden — kurz durch all die reiz-
vollen Künste der oberitalienischen Dekoration in der
Art Tiepolos oder Veroneses glücklich gekennzeichnet.
Gerade hier in der Präsidentenwohnung entfaltet Hoff-
mann eine Gabe geschmackvoller Ausstattung, die ihn
nicht nur für die monumentale Kunst als ausgezeichneten
Meister empfiehlt, sondern auch den Wunsch erregt, seine
Hand in dem Heim des Privatmannes schmückend und
veredelnd walten zu lassen. Das Vortragszimmer mit
 
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