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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0057
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KLEINE MITTEILUNGEN.

Deutschland fernerhin nur noch Sache des Reiches sein, die
Beschickung jedweder im Auslande stattfindenden Ausstel-
lung selbst in die Hand zu nehmen und zu leiten. Zur
vollen und gedeihlichen Entwicklung dieser allein dem Reiche
zukommenden Vermittlungsthätigkeit, scheint es uns indessen
erforderlich, dass sich dieselbe künftighin in noch weiterem
Maße kundgebe, als dies in Chicago der Fall gewesen, und
zwar durch Heranziehung ausreichenderer Hilfskräfte für
die Bewältigung der vielartigen Aufgaben, sowie größerer
Hilfsquellen zur Deckung oder wesentlichen Minderung der
die Aussteller bedrückenden Aufwände. Des Näheren aus-
geführt, befürworten wir auf Grund unserer Wahrnehmungen
die weitmöglichste Kompetenzabgrenzung zwischen den Or-
ganen für die geschäftliche Organisation und Durchführung
einer Ausstellung einerseits, und den Organen für deren de-
korative Gestaltung und Ausstattung andererseits. Die Auf-
gabe der letztgenannten Organe setzt zu ihrer gedeihlichen
Lösung Eigenschaften voraus, die sich in der Regel mit jenen
einer administrativen Thätigkeit nicht decken oder gut ver-
einigen , sondern allein bei ausgesprochen künstlerischer
Thätigkeit zur Entfaltung kommen können. Beide Arten
der an die Spitze der Reichsvertretung zu stellenden Organe
würden unter einem Präsidial-Oberhaupte als gleichgestellte
Organe nach verschiedenen Richtungen zu wirken, jedoch
über alle sie gemeinsam berührenden Entscheide und Maß-
nahmen sich gegenseitig zu verständigen haben. Den Or-
ganen für die dekorative Gestaltung der Ausstellung wäre
auch zur Bedingung zu machen, vor Festsetzung des Auf-
stellungsplanes die örtlichen Verhältnisse persönlich in Augen-
schein zu nehmen. Eine größere Macht müsste in die Ver-
tretungskörper des Kunstgewerbes, d. i. die Kunstgewerbe-
vereine, gelegt werden. Es dürfte nicht gestattet werden,
dass Aussteller über den Kopf dieser berufenen Organe hin-
weg zur Annahme gelangen, und dadurch dem Rufe des
nationalen Kunstgewerbes Schaden zugefügt werden kann.
Die Verteilung von Reichssubventionen müsste nach einem
einheitlichen. Plane geschehen, es dürfte also nicht dem Zufall
überlassen werden, wieviel und wem Subventionen erteilt
werden. Als weitere Hilfsmittel zu Gunsten der Aussteller
befürworten wir namentlich ein entschiedenes Eintreten des
Reiches bezüglich der Versands, der Versicherung und Auf-
stellung der Güter und zwar im vollen Umfange dieser
Leistungen, von der Empfangnahme der Güter an bis zu
ihrer Rückgabe an die Aussteller. In Chicago haben unsere
Aussteller die traurige Erfahrung gemacht, dass ihre, nach
dem Ausstellungsprogramme berechnete Aufwandssumme der
Wirklichkeit nicht entsprach. Abgesehen von empfindlichen
Verlusten durch Bruch und sonstige Beschädigungen der
Güter erwuchsen den Ausstellern meist noch außerordent-
liche Aufwände für unvorhergesehene, zumeist auch voll-
kommen unberechtigte Forderungen der Ausstellungsbehörden.
Sollen nun solche kostspielige Erfahrungen nicht zum Fern-
bleiben von künftigen Ausstellungen führen, was gerade von
den ältesten und hervorragendsten Firmen am ersten zu be-
fürchten ist, so muss notwendigerweise nach einem Schutz-
mittel gegen solche Mehraufwände und Opfer der Einzelnen
geforscht werden. Ein solches Korrektiv dürfte nach unserer
Überzeugung allein in einer vom Reiche zu übernehmenden
Versicherung der Aussteller gegen alle nicht vorgesehenen
Zwischenfälle und Verluste zu erblicken sein; denn nur das
Reich, das durch seine eigenen Organe die Beschickung der
Ausstellung leitet, und das für sich selbst ja das größte Inter-
esse an seiner würdigen und umfassenden Vertretung be-
sitzt, ist auch allein nach Ansehen und Macht im stände,
Zwischenfälle und unbillige Anforderungen von den Aus-

stellern fern zu halten und für außerordentliche Aufwände
ausgiebige Hilfsquellen heranzuziehen. Zur Deckung solcher
Aufwände wären vielleicht die stets sehr kostspieligen, in
ihrem Werte aber meist sehr fragwürdigen Repräsentations-
bauten zu unterlassen, welche fremde Regierungen als thea-
tralische Schaustücke heimischer Bauweise im Umkreis der
Ausstellungsbauten zu errichten pflegen. Ein weiterer Punkt
unserer Wahrnehmungen betrifft das System der Gruppirung
und Aufstellung der Gegenstände, das wir im Gegensatz zu
dem in Chicago gewählten Systeme einer freien, wesentlich
von malerischen Gesichtspunkten oder von Zufälligkeiten
geleiteten Aufstellung mit Nachdruck dahin befürworten
möchten, in künftigen Fällen der Hauptsache nach eine
allein nach Fachgruppen geordnete Aufstellung zu bevor-
zugen, das heißt, das geschlossene und fachlich übersicht-
liche Aufstellungssystem Frankreichs in Chicago zum Vor-
bild zu nehmen. Die Voraussetzung hierzu, nämlich die
Unterordnung aller Aussteller unter einen einheitlichen Plan
und gemeinsame Führung würde sich die Reichsregierung
als Bedingung ihres erweiterten Eintretens für die Aussteller
ohne Schwierigkeit sichern können. Einen wichtigen Faktor
einer einheitlichen Gestaltung bilden ferner die Schränke:
Für das Kunstgewerbe sollten Normalschränke einheitlich
beschafft und zur Verfügung gestellt werden. Dies war unter
anderen auf dem Delegirtentage in Hannover unter Vorsitz
des Reichskommissars angenommen worden. Wenn jeder
einzelne Aussteller sich seine Schränke selbst zu besorgen
und die Verpackung und Fracht selbst zu bezahlen hat, so
erfordert dies eine enorme Gesamtsumme, ohne ein erfreu-
liches Resultat zu liefern. Anders wäre es, wenn die Central-
leitung, besonders für das fachlich getrennte Kunstgewerbe
die Schränke nach einem festen Entwürfe herstellen ließe,
dieselben dann auf dem gegebenen Platze gruppirte und die
eingegangenen Gegenstände einstellte, wodurch jedenfalls am
raschesten, billigsten und sichersten eine einheitliche Auf-
stellung ermöglicht würde. Kollektivausstellungen einzelner
Ausstellergruppen wären nur dann noch zulässig, wenn die-
selben entweder die harmonische Ausstattung eines bestimmten
Raumes umfassen oder nur Gegenstände des gleichen tech-
nischen Zweiges enthalten und es somit ermöglichen, einer
bestimmten Fachgruppe als Ganzes eingereiht zu werden.
Zum Schlüsse möchten wir noch einer möglichsten Förderung
der Verkaufsgelegenheiten das Wort reden. Wir berühren
damit einen wunden Punkt aller bisherigen Ausstellungen,
nämlich den stets wiederkehrenden und namentlich in Chicago
wieder sehr zu Tage getretenen Konflikt zwischen einer Be-
schickung als „Ehrensache" und einer Beschickung aus „Ge-
schäftsinteresse". Zur Erwirkung einer möglichst umfassen-
den und würdigen Vertretung eines Landes mutet man unter
Hinweis auf sich darbietende Verkaufsgelegenheiten und Ge-
schäftsvorteile einerseits den Ausstellern größte Aufwände
und Opfer zu. Statt nun im berechtigten Interesse der Aus-
steller diese Verkaufsgelegenheiten aufzusuchen und durch
entsprechende Maßnahmen auch auszunützen, hütet man sich
andererseits von officieller Seite ängstlich davor, durch ein
ausgesprochen geschäftliches Vorgehen, wie man fürchtet,
Anstand und nationale Würde zu verletzen. Und doch weiß
man, dass die große Mehrzahl der Aussteller auf einen wo-
möglich unmittelbaren Verkauf der Waren reflektirt, um die
aufgewendeten Kosten und Opfer, wenn auch nur zum Teile,
begleichen zu können. Wohl ist es wahr, dass eine Aus-
stellung nicht zum bloßen Markt werden darf und dass bisher
jederzeit im Ausstellungsprogramme die Möglichkeit des
Verkaufes vorgesehen war, allein der Verkauf unter gewöhn,
liehen Verhältnissen ist, wenn nicht besondere Maßnahmen
 
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