DIE ORGANISATION DES FRANZÖSISCHEN KÜNSTUNTERRICHTS.
gleich einem bestimmten Einfluss unterliegen, der das
Heranreifen ihrer eigenen künstlerischen Ansichten fördert.
Die Rolle des artistischen Patronats, welches der Staat
früher ausübte, und die alten Zünfte, die die Revolution
abschaffte, finden in diesen Kunstschulen ihre Fortsetzung.
Bis in die Mitte dieses Jahrhunderts wurde in ihnen die
frostige, akademische und konventionelle Kunst gepflegt;
erst seit der Befreiung der Ecole des beaux-arts von der
Oberaufsicht der Academie verbreiten sich ein freierer
Geist und vielseitigere Richtungen. Bei aller sonstigen
Zersplitterung bilden Kraft, Naturwahrheit und Gewandt-
heit die charakteristischen Kennzeichen der französischen
Schule, die ihr stets ihre Überlegenheit gesichert haben;
auf dieser festen Basis kann sie auch den kühnen Wag-
nissen der Mode folgen, 'ohne dabei ihre eigenste Natur
einzubüßen. In diesem Vermächtnis des ancien regime,
der Ecole des beaux-arts, haben sich also freiere Rich-
tungen entwickelt; dagegen ist die Academie de France
in Rom stets dem bei ihrer Stiftung ausgesprochenen
Zwecke treu geblieben, die antike Kunst und die Re-
naissance zu pflegen. Die in Rom vorhandenen Kunst-
werke dieser Perioden dienen einer Elite von Schülern
als Vorbilder, und dieser Anschauungsunterricht be-
festigt sie natürlich in der klassischen Richtung. Neuer-
dings sind wiederholt und aus verschiedenen Gründen
gegen dies Institut Anklagen laut geworden; man macht
ihm zum Vorwurf, dass seine Schüler sämtlich mit einer
unfruchtbaren Einseitigkeit belastet seien, dass sie sich
nie aus dem starren Regelzwange der ihnen dort ein-
prägten Formen loszulösen vermöchten, dass Rom auch
nicht eine geeignete und genügende Auswahl von "Werken
selbst dieser beiden Perioden der Kunstgeschichte biete
und dass diese klassisch gebildeten Künstler schließlich
einem sterilen Morasmus verfallen. Einige wünschen die
Verlegung der Akademie nach Florenz, ein anderer sehr
gelehrter, aber etwas excentrischer Archäologe, Olivier
Rayet, schlägt sogar Athen als Sitz vor. Den Malern
würde die griechische Hauptstadt nur einen sehr un-
fruchtbaren Aufenthalt gewähren, da sich dort nicht ein
einziges Bild befindet; anders freilich steht die Sache
mit den Bildhauern und Architekten. Den Anhängern
von Florenz lässt sich entgegnen, dass Michelangelo,
Raffael, Leonardo de Vinci den Höhepunkt der Re-
naissancekunst bezeichnen und dass die römischen Denk-
mäler, Sammlungen und Museen die vollkommensten
Muster der Skulptur darbieten. Außerdem sind die
Akademiker keineswegs in der Villa Medici festgebannt,
und es steht ihnen jederzeit frei, künstlerische Ausflüge
nach Venedig, Pisa, Ravenna, Florenz, Parma, Siena und
anderen italienischen Kunstcentren, sowie weiter nach
Sicilien, Griechenland zu unternehmen. Die Academie
des beaux-arts, welche den Studienplan entwirft, hat
neuerdings auch die Bestimmung darin aufgenommen,
dass die Zöglinge der Villa Medici ihre Reisen auf
andere europäische Länder ausdehnen, um die spanische,
67
jUristT,
Entwurf zu eiuem schmiedeeisernen Blumentisch von Architekt
B. MÖHKING, Berlin.
gleich einem bestimmten Einfluss unterliegen, der das
Heranreifen ihrer eigenen künstlerischen Ansichten fördert.
Die Rolle des artistischen Patronats, welches der Staat
früher ausübte, und die alten Zünfte, die die Revolution
abschaffte, finden in diesen Kunstschulen ihre Fortsetzung.
Bis in die Mitte dieses Jahrhunderts wurde in ihnen die
frostige, akademische und konventionelle Kunst gepflegt;
erst seit der Befreiung der Ecole des beaux-arts von der
Oberaufsicht der Academie verbreiten sich ein freierer
Geist und vielseitigere Richtungen. Bei aller sonstigen
Zersplitterung bilden Kraft, Naturwahrheit und Gewandt-
heit die charakteristischen Kennzeichen der französischen
Schule, die ihr stets ihre Überlegenheit gesichert haben;
auf dieser festen Basis kann sie auch den kühnen Wag-
nissen der Mode folgen, 'ohne dabei ihre eigenste Natur
einzubüßen. In diesem Vermächtnis des ancien regime,
der Ecole des beaux-arts, haben sich also freiere Rich-
tungen entwickelt; dagegen ist die Academie de France
in Rom stets dem bei ihrer Stiftung ausgesprochenen
Zwecke treu geblieben, die antike Kunst und die Re-
naissance zu pflegen. Die in Rom vorhandenen Kunst-
werke dieser Perioden dienen einer Elite von Schülern
als Vorbilder, und dieser Anschauungsunterricht be-
festigt sie natürlich in der klassischen Richtung. Neuer-
dings sind wiederholt und aus verschiedenen Gründen
gegen dies Institut Anklagen laut geworden; man macht
ihm zum Vorwurf, dass seine Schüler sämtlich mit einer
unfruchtbaren Einseitigkeit belastet seien, dass sie sich
nie aus dem starren Regelzwange der ihnen dort ein-
prägten Formen loszulösen vermöchten, dass Rom auch
nicht eine geeignete und genügende Auswahl von "Werken
selbst dieser beiden Perioden der Kunstgeschichte biete
und dass diese klassisch gebildeten Künstler schließlich
einem sterilen Morasmus verfallen. Einige wünschen die
Verlegung der Akademie nach Florenz, ein anderer sehr
gelehrter, aber etwas excentrischer Archäologe, Olivier
Rayet, schlägt sogar Athen als Sitz vor. Den Malern
würde die griechische Hauptstadt nur einen sehr un-
fruchtbaren Aufenthalt gewähren, da sich dort nicht ein
einziges Bild befindet; anders freilich steht die Sache
mit den Bildhauern und Architekten. Den Anhängern
von Florenz lässt sich entgegnen, dass Michelangelo,
Raffael, Leonardo de Vinci den Höhepunkt der Re-
naissancekunst bezeichnen und dass die römischen Denk-
mäler, Sammlungen und Museen die vollkommensten
Muster der Skulptur darbieten. Außerdem sind die
Akademiker keineswegs in der Villa Medici festgebannt,
und es steht ihnen jederzeit frei, künstlerische Ausflüge
nach Venedig, Pisa, Ravenna, Florenz, Parma, Siena und
anderen italienischen Kunstcentren, sowie weiter nach
Sicilien, Griechenland zu unternehmen. Die Academie
des beaux-arts, welche den Studienplan entwirft, hat
neuerdings auch die Bestimmung darin aufgenommen,
dass die Zöglinge der Villa Medici ihre Reisen auf
andere europäische Länder ausdehnen, um die spanische,
67
jUristT,
Entwurf zu eiuem schmiedeeisernen Blumentisch von Architekt
B. MÖHKING, Berlin.