Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

DOI Artikel:
Bruening, Adolf: Der Kronleuchter, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0116
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
98

DER KRONLEUCHTER.

zur Aufnahme der brennbaren Substanz und einem röhren-
artigen oder schnauzenförmigen Ansatzstück, das zur
Aufnahme des Dochtes dient. Während sich die älteren
Lampen zumeist mit einem Dochte begnügten, begegnen
uns später Lampen mit mehreren Schnauzen, die sich
radial um den in der Mitte liegenden Ölbehälter an-
ordnen und entweder auf Kandelaber gestellt oder an
Ketten aufgehängt wurden. Wo dann bei größeren Ge-
bilden die Grenze liegt zwischen Hängelampe und Kron-
leuchter, lässt sich nicht in jedem Fall leicht bestimmen.
Wohl aber dürfen wir Geräte mit 20 Dochten, wie sie
Kallimachos erwähnte, eher als Kronleuchter, denn als
Lampen bezeichnen. Noch mehr gilt das von dem im
Prytaneion zu Tarent be-
findlichen Hängeleuchter, der
soviel Flammen, wie Tage
im Jahre, haben sollte.

Die Ausgrabungen in
Pompeji und Herculanum, die
uns gerade über diesen Teil
des antiken Hausrats reich-
lichste Aufklärung geben,
haben eine Reihe von mehr-
fiammigen Lichtgeräten zu
Tage gefördert, die die Mitte
halten zwischen Lampe und
Kronleuchter. Ein gutes Bei-
spiel ist der ringförmige

nebenstehend abgebildete
Hängeleuchter aus Bronze
mit 11 Dochten. Während
die radförmige Gestalt dem
Gerät mehr das Aussehen
eines Kronleuchters giebt,
verrät der kleine Henkelan-
satz, den noch der durch
seine Größe ausgezeichnete
Satyrkopf besonders kenn-
zeichnet, seine niedrigere
Herkunft. Neben dem Kopfe
sind zwei Löcher zum Ein-
gießen des Öles angebracht.

Die den Kreis des Ölbehälters schmückenden kahlköpfigen
Satyrmasken haben noch eine besondere Bewandnis.
Gerade bacchische Symbole und Darstellungen kehren
sehr häufig auf antiken Lichtgeräten wieder. Deutete
doch bei den häuslichen Festen der Alten, die den
Schmaus kurz vor der Abenddämmerung abzuhalten
pflegten, das Anzünden der Lichter den Beginn des
heiteren Teiles des Festes, der ungebundenen Fröhlich-
keit des Trinkgelages an. Ähnliche Hängeleuchter giebt
es aus den Ausgrabungen der kampanischen Städte noch
mehr, so ein Exemplar mit 14 Dochten in Gestalt eines
Schiffes, bei dem die Dochthalter wie Bader an den Seiten
verteilt sind (Antichita di Ercolano t. VIII Lucerne. tav. 13).

Antiker Hängeleuchter aus Bronze.
Aus L. Barre, Herculanum und Pompeji.

Weit mehr noch als diese Geräte entspricht dem
Begriffe eines Kronleuchters der im Museum zu Cortona
befindliche große Bronzeleuchter, ein Meisterwerk etrus-
kischer Metallarbeit, von dem die untere und seitliche
Ansicht, sowie der Durchschnitt in Monumenti del In-
stitute archeol.ni, Taf. 41,42 abgebildet sind. (S.S. 105.)
Er ist zeitlich bedeutend früher als der römische
Leuchter: man setzt ihn in das 3. vorchristliche Jahr-
hundert. Da Etrurien sowohl mit Griechenland wie Rom
in innigsten Wechselbeziehungen stand, von Griechenland
nicht nur empfing, sondern auch diesem höher stehenden
Kulturvolk wieder gab — wir wissen, dass die etrus-
kischen Bronzen selbst zur Zeit des Perikles in Athen

sehr geschätzt waren — so
mag dieser Beleuchtungs-
körper uns den Typus des
antiken Kronleuchters über-
haupt geben. Trägt er doch
auch in seinem Äußeren völlig
das Gepräge des die ganze
antike Kunst beherrschenden
griechischen Geistes. Der
Stil, an dem er aufgehängt
wurde, besteht aus einer
hohlen, von zwei Gürtungen
umgebenen, unten sich trich-
terförmig ausdehnenden
Röhre, die sich zu einer
runden, ringförmigen Schale
verbreitert. Um diese Schale
herum, die als Bassin für
das Brennöl diente, reihen
sich im Kreise 16 kleine
ovale Behälter, die mit dem
Centralbassin durch kleine
Öffnungen in Verbindung
stehen und von dort her das
Öl beziehen. Die Zwischen-
räume dieser mit fein cise-
lirten Volutenornamenten ge-
ziertenLampen füllen bärtige,
gehörnte Satyrköpfe aus. Den
Hauptschmuck trägt die dem Beschauer am meisten sichtbare
Unterseite des Geräts. Aus der Mitte des Kreises grinst
ein fratzenhaftes Gorgonenhaupt mit fletschenden Zähnen
den Betrachter an, das nach altem Brauch gern an allerlei
Gerät, z. B. auf dem Grund von Trinkbechern angebracht
wurde, um den Besitzer gegen den bösen Blick und jeden
schädlichen Einfluss zu beschützen. In der umrahmenden
Zone sind Tierkämpfe dargestellt: wie Löwen, Panther
und Greife schwächere Tiere zerfleischen. Doch um
diese Darstellungen des Schreckens zieht sich eine fried-
same Scene. Am Gestade des Meeres, durch stilisirte
Wellen, in denen Delphinen schwimmen, angedeutet, hat
sicli ein ganzes Orchester von singenden Sirenen und
 
Annotationen