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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

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Bruening, Adolf: Der Kronleuchter, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0118
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DER KRONLEUCHTER.

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cd

gewandt, sie hatte sich sogar in einzelnen Fällen, wie
wir sehen, zu kronleuchterartigen Gebilden entwickelt.
Jetzt geht man den umgekehrten Weg. Man baut
Geräte, die darauf eingerichtet sind, eine möglichst große
Anzahl von Lichtern, und zwar zunächst Lampen, auf-
zunehmen. Jetzt beginnt die Herrschaft des Kronleuchters
über das übrige Lichtgerät. Die äußere Ausgestaltung
der Einzellampen, ja oft auch des ganzen Lichtapparats
tritt zunächst in den Hintergrund. Die strahlenden
Lichterkreise schienen genug des Schmuckes zu sein.
Zugleich damit wechselt das Material der Lampen. Im
Altertum waren sie vorzugsweise aus Bronze verfertigt
worden, neben der der Thon nur als mangelhafter un-
zulänglicher Ersatz eintrat. Dieser Stoff aber konnte
wegen seiner Schwere und Kostbarkeit bei einer An-
häufung von vielen Lampen an einem Kronleuchter nicht
beibehalten werden. Man nahm daher
seine Zuflucht zu dem weit billigeren
und leichteren Glase, das auch wegen
seiner Durchsichtigkeit vorzüglich ver-
wendbar war.

Zwar haben die politischen Stürme
und Ungewitter jener
Zeit fast alle Erzeug-
nisse menschlicher Thä-
tigkeit hinweggefegt
und uns auch an Be-
leuchtungskörpern nur
ganz wenig Formen zu-
rückgelassen. Doch mit
Hilfe der um so ausführ-
licheren litterarischen
Nachrichten, wie wir
kaum aus einer späteren Zeit in
so reichem Maße besitzen — unter an-
deren hat uns Paulus Silentiarius eine
weitläufige Beschreibung des gewal-
tigen Lichtapparates in der Sophien-
kirche zu Konstantinopel hinterlassen
— und den wenigen erhaltenen Monumenten gelingt
es auch hier, uns so ziemlich ein annähernd richtiges
Bild der vom 4. Jahrhundert ab üblichen Kronleuchter
zu rekonstruiren.

Schon gleich zu Anfang treten die beiden Haupt-
formen, in denen uns der Kronleuchter überhaupt be-
gegnet, deutlich ausgebildet entgegen: der Leuchter in
Form eines Eades oder Reifes, die Radkrone, und jene
andere Art, bei der von einer Mittelstütze aus sich eine
oder mehrere Reihen von Armen nach den Seiten hin
ausbreiten, und den man etwa Armkrone nennen könnte.
Für das frühzeitige Vorkommen der Armkrone haben
wir nicht nur ein Zeugnis in den Berichten des Dichters
und Kirchenlehrers Paulinus von Nola aus dem 4. Jahr-
hundert, der uns Kronleuchter beschreibt in der Gestalt von
Bäumen,rdie wie ein Weinstock Zweige nach den Seiten
 
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