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DER KRONLEUCHTER.
Einzelheiten vom Aachener Kronleuchter (s. Abb. S. 100 und 101).
Als absonderliche Form treten daneben noch mäch-
tige Hängeleuchter in Gestalt von Kreuzen auf, wie deren
noch einen die Markuskirche in Venedig besitzt (Kohault
de Pleury, la messre VI pl. 192). Im 8. Jahrhundert
wurde der Peterskirche in Kom ein derartiger Kron-
leuchter in Kreuzesform mit 1370 Lichtern geschenkt.
Der Keif des Kadleuchters, der bis zur gotischen
Zeit den Sieg über die Armkrone davongetragen zu
haben scheint, blieb anfangs schlicht und einfach; aber
mit der Zeit begnügte man sich nicht mehr mit dem
Schmuck der Flammen allein. Damit das Gerät auch
ohne die strahlenden Lichter in unangezündetem Zu-
stande der Kirche zur Zierde gereiche, suchte man dem
Keif eine Gestalt zu geben, die die Schaulust der Gläu-
bigen befriedigen mochte. Man bildete ihn als Mauer-
ring, von Zinnen und Türmen belebt,') und hing daran
die Lampen auf oder steckte auf die Zinnen Kerzen, die
allmählich angefangen hatten, der Öllampe den Vorrang
streitig zu machen. Zuweilen vereinigt man beide Be-
leuchtungsarten an demselben Gerät. Wann diese Um-
bildung des einfachen Keifes zur Mauerkrone eingetreten
ist, wird sich wohl so leicht nicht mit Sicherheit fest-
stellen lassen. In den Papstbiographieen des Bibliothekars
Anastasius aus dem 9. Jahrhundert begegnen uns wieder-
holt Ausdrücke, die möglicherweise auf derartige Ge-
staltungen gedeutet werden könnten. Jedenfalls scheint
diese Formgebung in der romanischen Epoche allgemein
eingebürgert gewesen zu sein. Der zu dieser Zeit
1) Über die mögliche Entstehung dieses Motivs vgl.
Zeitschrift des bayerischen Kunstgewcrbevereins in München.
1895. Heft 10. S. 84.
herrschende Hang, überall symbolische Beziehungen
hineinzutragen, bemächtigt sich nuu auch dieser großen
Kronen und umspann sie mit einem Gewebe sinnbild-
licher Deutung. Dieser Mauerkranz mit seinen Zinnen
und Türmen galt als ein Bild des himmlischen Jerusalems,
der von den Engeln und Heiligen bevölkerten Gottes-
stadt, die in ihrem eigenen Lichte strahlt und den
Gläubigen als das Ziel ihrer sehnsüchtigen Wünsche
hoch über ihren Häuptern in der Kirche vorschwebte.
Von diesen großartigen Geräten, die in Menge die
romanischen Kirchen geschmückt haben, sind uns in
Deutschland noch einige erhalten geblieben. Sie be-
stehen aus Eisen, vergoldetem Kupferblech und Silber.
Doch gab es im Mittelalter noch kostbarere, mit Edel-
gestein geschmückte Kronen, so dass der übereifrige
Bernhard von Clairvaux im 12. Jahrhundert gegen einen
solchen Luxus mit scharfen Worten vorgehen zu müssen
glaubte.
Die noch übriggebliebenen überragt an kunstvoller
Arbeit der Kronleuchter des Aachener Münsters. Laut
der auf demselben angebrachten Inschrift war er ein
Geschenk des Kaisers Friedrich Barbarossa und seiner
Gemahlin Beatrix. Wahrscheinlich hatte Friedrich ge-
legentlich der Erhebung der Gebeine Karls des Großen
am 29. Dezember 1165 zum Gedächtnis dieses glanz-
vollen Aktes den der Kaiser im Beisein zahlreicher
Bischöfe und Fürsten seines Keiches unternahm, die
Krone gestiftet und von einem Meister Wibert anfertigen
lassen. Wie die Abbildung der Unterseite des Kron-
leuchters zeigt, hatte er die Gestalt einer achtblätterigen
Rose in Anlehnung an die achteckige Form des Raumes,
in dem er aufgehängt ist. Auch die Größe, sie hat
DER KRONLEUCHTER.
Einzelheiten vom Aachener Kronleuchter (s. Abb. S. 100 und 101).
Als absonderliche Form treten daneben noch mäch-
tige Hängeleuchter in Gestalt von Kreuzen auf, wie deren
noch einen die Markuskirche in Venedig besitzt (Kohault
de Pleury, la messre VI pl. 192). Im 8. Jahrhundert
wurde der Peterskirche in Kom ein derartiger Kron-
leuchter in Kreuzesform mit 1370 Lichtern geschenkt.
Der Keif des Kadleuchters, der bis zur gotischen
Zeit den Sieg über die Armkrone davongetragen zu
haben scheint, blieb anfangs schlicht und einfach; aber
mit der Zeit begnügte man sich nicht mehr mit dem
Schmuck der Flammen allein. Damit das Gerät auch
ohne die strahlenden Lichter in unangezündetem Zu-
stande der Kirche zur Zierde gereiche, suchte man dem
Keif eine Gestalt zu geben, die die Schaulust der Gläu-
bigen befriedigen mochte. Man bildete ihn als Mauer-
ring, von Zinnen und Türmen belebt,') und hing daran
die Lampen auf oder steckte auf die Zinnen Kerzen, die
allmählich angefangen hatten, der Öllampe den Vorrang
streitig zu machen. Zuweilen vereinigt man beide Be-
leuchtungsarten an demselben Gerät. Wann diese Um-
bildung des einfachen Keifes zur Mauerkrone eingetreten
ist, wird sich wohl so leicht nicht mit Sicherheit fest-
stellen lassen. In den Papstbiographieen des Bibliothekars
Anastasius aus dem 9. Jahrhundert begegnen uns wieder-
holt Ausdrücke, die möglicherweise auf derartige Ge-
staltungen gedeutet werden könnten. Jedenfalls scheint
diese Formgebung in der romanischen Epoche allgemein
eingebürgert gewesen zu sein. Der zu dieser Zeit
1) Über die mögliche Entstehung dieses Motivs vgl.
Zeitschrift des bayerischen Kunstgewcrbevereins in München.
1895. Heft 10. S. 84.
herrschende Hang, überall symbolische Beziehungen
hineinzutragen, bemächtigt sich nuu auch dieser großen
Kronen und umspann sie mit einem Gewebe sinnbild-
licher Deutung. Dieser Mauerkranz mit seinen Zinnen
und Türmen galt als ein Bild des himmlischen Jerusalems,
der von den Engeln und Heiligen bevölkerten Gottes-
stadt, die in ihrem eigenen Lichte strahlt und den
Gläubigen als das Ziel ihrer sehnsüchtigen Wünsche
hoch über ihren Häuptern in der Kirche vorschwebte.
Von diesen großartigen Geräten, die in Menge die
romanischen Kirchen geschmückt haben, sind uns in
Deutschland noch einige erhalten geblieben. Sie be-
stehen aus Eisen, vergoldetem Kupferblech und Silber.
Doch gab es im Mittelalter noch kostbarere, mit Edel-
gestein geschmückte Kronen, so dass der übereifrige
Bernhard von Clairvaux im 12. Jahrhundert gegen einen
solchen Luxus mit scharfen Worten vorgehen zu müssen
glaubte.
Die noch übriggebliebenen überragt an kunstvoller
Arbeit der Kronleuchter des Aachener Münsters. Laut
der auf demselben angebrachten Inschrift war er ein
Geschenk des Kaisers Friedrich Barbarossa und seiner
Gemahlin Beatrix. Wahrscheinlich hatte Friedrich ge-
legentlich der Erhebung der Gebeine Karls des Großen
am 29. Dezember 1165 zum Gedächtnis dieses glanz-
vollen Aktes den der Kaiser im Beisein zahlreicher
Bischöfe und Fürsten seines Keiches unternahm, die
Krone gestiftet und von einem Meister Wibert anfertigen
lassen. Wie die Abbildung der Unterseite des Kron-
leuchters zeigt, hatte er die Gestalt einer achtblätterigen
Rose in Anlehnung an die achteckige Form des Raumes,
in dem er aufgehängt ist. Auch die Größe, sie hat