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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

DOI Artikel:
Bruening, Adolf: Der Kronleuchter, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0125
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10«

DER KRONLEUCHTER.

ist ein durchbrochenes Band von verzinntem Eisenblech ein-
gefügt worden. Der Kronleuchter soll nach einer alten
Überlieferung ein Abbild einer 1662 vernichteten kunst-
reichen Radkrone sein, die Bischof Bernward selbst für
die St. Michael-Abteikirche hatte herstellen lassen und
die von der bekannten Äbtissin Herrad von Landsberg in
einem Hymnus gefeiert worden ist. Nach der noch er-
haltenen Krone sind neuerdings eine Reihe mehr oder
minder freie Nachbildungen angefertigt worden, unter
anderen besitzt das Kensingtonmuseum in London, der
Dom zu Braunschweig, die Cyriacikirche in Gernrode im
Harz und die Kirche des Diakonissenhauses Bethanien
zu Berlin solche Reproduktionen. In Hildesheim selbst
existirt noch im Chor des Domes eine andere kleinere
alte Radkrone, die aber weniger Bedeutung hat.

Am vollständigsten hat noch die S. 103 abgebildete
Krone des Abtes Herwig in der Benediktinerabteikirche
zu Komburg bei Schwäbisch-Hall ihre ursprüngliche Er-
scheinung bewahrt. Ein Ölanstrich, den sie gegen Ende
des 16. Jahrhunderts bekommen, hat sie vor dem Ver-
lust ihrer edleren Bestandteile gerettet. An deren kreis-
förmig gestalteten Reifen befinden sich neben 12 Türmen
noch 12 Medaillons mit Brustbildern der Propheten,
während die in den Nischen der Türme noch erhaltenen
Bildwerke die Apostel und andere Heiligen darstellen.
Bei den Turmbauten wechselt je ein Rundturm von zwei
Geschossen mit je zwei dreistöckigen Turmanlagen von
viereckigem Durchschnitt. Die Unterseiten der Boden-
platten sind hier von reichen, in braunen Schmelz aus-
geführten Ornamenten bedeckt. Die Höhe der Türme
beträgt 92—98 cm. Auch die Füllung zwischen den
Spruchbändern ist noch unversehrt erhalten, ein reiz-
voller durchbrochener Fries getriebener Arbeit von
Kreisen aus Blattwerk, in die eine Menge von Figuren,
Ritter, Jäger, Centauren und allerlei Getier, zum Teil
von phantastischer Bildung hineingestreut sind.

Von weiteren romanischen Radkronen in Deutsch-
land erfahren wir durch die Überlieferung, dass sich
solche auch in der Klosterkirche zu Corvey (10. Jahrh.)
in S. Pantalion in Köln, im Dom zu Speier und in der
Stiftskirche zu Weißenburg im Elsass befunden haben.
Ebenso besaß die Kathedrale zu Lüttich einen derartigen
Radleuchter. In Frankreich existiren keine solche Geräte
mehr. Die französische Revolution hat die letzten beiden,
die in Reims, von der ein Manuskript der Bibliothek
nationale aus dem 16. Jahrhundert noch eine Abbildung
giebt (Viollet-le-Duc, Dictionnaire raisonne du mobilier
frangais S. 145), und die in Toni zum Opfer gefordert.
Die Radkronen in Bayeux und Cluny fielen schon früher
der Vernichtung anheim. Auch für Italien und England
lassen sich noch ähnlich gestaltete Lichterkronen mit
Türmen nachweisen. Kurz, überall dort, wo die ro-
manische Architektur festen Fuß gefasst, wird man auch
den Spuren der ehemaligen Existenz solcher Geräte nach-
gehen können.

Laterne aus geschmiedeter Bronze, im Reichsgericht in Leipzig,
ausgeführt nach L. Hoffmanns Entwurf von Schulz & Holdefleiß, Berlin.
 
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