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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0128
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KLEINE MITTEILUNGEN.

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entnehmen, wo er sie gut bekommt, ohne zu fragen, ob er
durch Aufträge an heimische Werkstätten ein patriotisches,
ideales Werk fördert. Oberhaupt hängt die Blüte der Kunst
und des Kunsthandwerks vor allem von zwei Faktoren ab,
die keine Gewalt, kein Machthaber, kein Verein aus der
Erde stampfen kann: Langsame Schulung des jungen
Geschlechtes, Schaffung einer Werkstatt- und Atelier-
Überlieferung und Auftreten bahnbrechender schöpferischer
Kräfte, die man nicht züchten kann, die eine Gabe Gottes
für die Nation sind. Redner behandelte dann die Stellung
des gegenwärtigen Kunsthandwerkes. Seit etwa 40 Jahren
bemerkte man die Fortschritte unter Vorantritt der Archi-
tekten; damit war wesentlich die Unterordnung unter die
historischen Stile gegeben. Jetzt im letzten Jahrzehnt „fin
de siecle", wo Bildhauer und Maler die Führung übernehmen,
befindet sich alles in Bewegung. Ungeahnte Farbenharmonieen,
wundersame Gebilde steigen herauf, Naturstudien einerseits,
Ausflüge in das Wunderland der Phantasie andrerseits. Das
Kunstgewerbe wird sich nicht außerhalb der neuen Strömung
halten können, wenn es nicht Gefahr laufen will, zu ver-
alten, greisenhaft zu werden; aber von den Ausschreitungen
der neuen Kunst, die so viel
Sturm erregen, wird es sieh
hüten können, wenn es Stoff
und Zweck bedenkt. Und fragt
man nun zum Schluss, nicht,
ob die Gründung des Vereins

einen erstaunlichen Auf-
schwung zur Folge gehabt hat,
sondern ob ohne den vor 10
Jahren gefassten Beschluss und
die Arbeit dieser 10 Jahre das
erreicht wäre, was wir jetzt
erreicht sehen, so dürfen wir
ein freudiges Nein! rufen. Der
Verein hat sich wohl verdient
gemacht um die Bestrebungen,
denen er sich widmet! Redner
erläuterte dann die Leistungen
des Vereins im einzelnen, wo-
bei er anführte: die Vereins-
zeitschrift (Kunstgewerbeblatt),
Unterstützung zum Besuch von
Ausstellungen, die85 Versammlungen, Vorträge,Besichtigungs-
ausflüge und die Stiftungsfeste mit ihrer gar nicht zu unter-
schätzenden Selbstironie bei Misserfolgen, die gelegentliche Ver-
anstaltung von Ausstellungen, die große Ausstellung von 1889,
zu der die erste Anregung vom Verein ausgegangen und bei der
Redner der Verdienste des verstorbenen Freundes des Kunstge-
werbes, des Freiherrn Albertus von Ohlendorff gedachte, endlich
die Veranstaltung von Wettbewerben, die allerdings nur von
geringem Erfolge waren, namentlich die Bannerkonkurrenz.
Aber gerade die letzte Erfolglosigkeit weise darauf hin, dass
dem Verein ein anderes Banner voranwehe, auf das er stolz
sein könne, das alte schöne, stolze Banner mit der silbernen
Burg im roten Felde, Hamburgs Flagge! Was ist in Ham-
burg gethan seit 1866, seit das schwarz-weiß-rote Banner
des neuen Reiches emporgestiegen an den Masten unserer
Schiffe? Kunst und Gewerbe verdanken Senat und der
Bürgerschaft viel. Kaum jemals ist eine begründete Bitte
abgeschlagen. Darum Senat und Bürgerschaft, die Stadt
Hamburg hoch! Nach diesen wohlerwogenen, treffenden
Worten folgte lebhafter Jubel. Nunmehr wechselten. Tafel-
lieder von humoristischen Kunstblättern meist begleitet, und
ernste oder heitere Trinksprüche, unter denen besonders der

Decket einer Dose, gravirt von Max Haseroth, Berlin

in Versen improvisirte Toast auf die Gäste von Herrn Stevens
mehrfach von großer Heiterkeit unterbrochen wurde. Unter
den Liederdichtern ragte C. Wolbrandt hervor, der allein
sieben Tafellieder zum besten gegeben hatte, ferner Aug.
Meyer, dessen satirisches Loblied auf die „neue Richtung"
offenbar auf einen vorbereiteten Boden stieß. Dasselbe galt
von dem Liede „Stimmungsrausch", welches ebenso wie das
vorgenannte auf gewisse Diskussionen in der Hamburger
Fresse Bezug nahm. Zwischen den allgemeinen Gesängen
waren auch treffliche Leistungen eines Soloquartetts ein-
gestreut. Kurz, der Genüsse bunte Reihe füllte die Zeit
bis gegen 12 Uhr aus, als das Festspiel, von Caesar Scharff
und Aug. Meyer verfasst, seinen Anfang nahm. Es bestand
aus einem Vorspiel, einem Hauptakt und einer Apotheose.
Dasselbe bot verschiedene Rückblücke auf frühere Stiftungs-
feste des Vereins und hatte zum Gegenstand die Huldigung
der Hammonia durch den Kunstgewerbevereiu und Ver-
treter des Kunstgewerbes. Das Vorspiel vollzog sich in der
Vorhalle des Museums für Kunst und Gewerbe, das Festspiel
in der Aula des Museums. Unter den zahlreichen Mit-
wirkenden fiel besonders Frl. Martha Hagemann, durch die

liebenswürdige Art, mit der
sie den Kunstgewerbeverein
verkörperte, auf. Außerdem
waren die Herren Bakof, E.
Droge, M. Rotemmndt und Otto
Schlotke, letzterer auch als
Vereinsdichter bekannt und be-
liebt, besonders hervorstechend
durch ihre mimischen Leistun-
gen. Zum Schluss des Spieles
bekränzte Hammonia unter
Jubel der Versammlung die
Büste Direktor Drinckmann's,
während in der folgenden
Apotheose Germania Hammo-
nia bekränzte. Kaum endender
Beifall folgte der Darstellung
und wiederholt mussten sich
Frl.MarthaHagemann, die Ver-
fasser des Festspieles Cäsar
Schärft' und Aug. Meyer dem
lebhaft angeregten Auditorium
zeigen. In der Pause zwischen Vorspiel und Festspiel hatte Herr
Spangenberg namens der Gäste dem Blühen und Gedeihen
des Hamburger Kunstgewerbevereins ein lebhaft aufge-
nommenes Hoch gewidmet. Nach Beendigung des Fest-
spieles trat die bekannte Fidulität in ihre Rechte, der
„Schwärm" verlief sich und die „Ritter von der Gemütlich-
keit" rückten näher zusammen. Wie lange sie noch aus-
gehalten, dürfte im Schleier der Nacht verborgen bleiben,
wenn nicht bei einzelnen das Morgengrauen das Geheimnis
verraten haben sollte. Bei dem so überaus glücklichen
Verlauf des zehnjährigen Jubiläumsfestes des Kunstgewerbe-
vereins dürfte es angebracht sein, auch derer insonderheit
dankend zu gedenken, die sich den erheblichen Mühen der
Vorbereitung unterzogen haben; den Festausschuss bildeten
die Herren Aug. Meyer, Vorsitzender, Carl Drewes, Ernst
Droge, Max Baumann, Carl Griese, Leopold Strelow, Carl
Popert, Cäsar Scharff, Martin Rotermundt. Zu der Sammel-
mappe waren köstliche Gaben gespendet von A. Eckardt,
Aug. Meyer, Carl Wolbrandt (Vereinshaus. Neueste Stim-
mung (Stil) 1996 mit Beschreibung) und vor allen Dingen
auch von H. de Bruycker, der einen großen Beitrag zur
Illustrirung der modernen Kunst geliefert hatte.
 
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