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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

DOI Artikel:
Hofmann, Albert: Die Berliner Gewerbeausstellung 1896, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0143
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122

DIE BERLINER GEWERBEAUSSTELLUNG 1896.

Bedeutung auf der Weltausstellung in Chicago deutlich
zum Ausdruck kam. Deutschland wird, so hoffen wir,
in nicht zu ferner Zeit mit zwei unbestrittenen That-
sachen zu rechnen haben, welche ihm im Völkergefüge
Glanz und Größe zu verleihen in jeder Weise geeignet
sind, welche ihm aber gleichzeitig auch die Pflicht auf-
erlegen, in der ungeschmälerten Wahrung dieses schwer
und mühsam, nach tiefen Demütigungen und heißen
Kämpfen errungenen kost-
baren Gutes Festigkeit und
Vorsicht mit Weisheit und
Voraussicht zu paaren. Das
deutsche Eeich als solches
könnte die schweren Folgen
einer Weltausstellung, wel-
che ihm endgiltig Wert und
Eang im formellen Sinne
auch in kultureller Bezie-
hung verleihen würde, erst
dann übernehmen, wenn die
leitenden Kreise die Über-
zeugung hätten, dieses vor-
nehme Ziel mit Sicherheit
erreicht zu sehen. Diese
Sicherheit aber erschien
ihnen nicht gewährleistet,
als die ersten Gedanken
einer deutschen Weltaus-
stellung in Berlin in wei-
teren Kreisen erörtert wur-
den. Ob das Ergebnis der
nunmehr fertigen Berliner
Gewerbeausstellung diese
Sicherheit zu geben ver-
mag, wird Gegenstand der
Schlusserwägungen dieses
Berichtes sein.

Nicht viel anders lagen
die Verhältnisse in Bezug
auf eine dann angestrebte
deutsch-nationale Ausstel-
lung in Berlin, als der Ge-
danke einer Weltausstel-
lung endgiltig aufgegeben
war. Neben rein politischen
Erwägungen zweiter Natur,
die auch bei dem früheren
Gedanken mitgespielt haben mögen, waren es die gleichen
Erwägungen, wie die über eine Weltausstellung, welche
auch diesen Plan nicht begünstigen konnten. Der Unter-
schied lag nur darin, dass, wenn Deutschland im ersteren
Falle mit einem geschlossenen Werke in eine räumlich
angenäherte Konkurrenz mit den übrigen Staaten ge-
treten wäre, bei einer deutsch-nationalen Ausstellung
der enge räumliche Vergleich gefallen wäre, ohne dass

TnUrfülliing im Civilsenatssitzungssaal des ßeichsgerichts in Leipzig

Nach einer Skizze von Baurat L. Hoffmann modellirt

von H. GiF.secke, Berlin.

das Ergebnis ein wesentlich anderes geworden wäre. In
beiden Fällen wäre Deutschland eben als Deutschland
auf den Plan getreten und hätte sich dadurch für seine
Beurteilung selbst seinen Maßstab geschaffen.

Auch dieser Plan fiel; an seine Stelle trat ein
wiederum enger begrenzter: der einer Berliner Gewerbe-
ausstellung, verbunden mit einer deutsch-nationalen Kunst-
gewerbeausstellung. Diese neue Bezeichnung des be-
absichtigten Ausstellungs-
unternehmens deutet auf
enge Grenzen; der Aus-
stellungsbereich wurde aber
über die Grenzen seines
Namens hinaus so erwei-
tert, dass neben Firmen und
Ausstellern, deren Produk-
tionsstätte sich in Berlin
befindet, sich auch solche
Aussteller beteiligen konn-
ten, bei welchen das letz-
tere nicht der Fall war, die
aber gleichwohl in Berlin
eine Niederlage ihrer Er-
zeugnisse hielten. Aber auch
der zum zweiten Male ver-
änderte Grundgedanke der
Ausstellung konnte nicht
zur Ausführung kommen,
da auch die deutsch-natio-
nale Kunstgewerbeaus-
stellung fiel und die Son-
derstellung des Kunstge-
werbes dadurch aufgelöst
wurde, dass die kunstge-
werblichen Kreise Süd-
deutschlands nicht mit eben
übermäßiger Wärme dem
Gedanken entgegen kamen
und, wie es scheint, lieber
nach Nürnberg als nach
Berlin gingen. So blieb
nur das sich um Berlin als
Mittelpunkt gruppirende
Kunstgewerbe und dieses
wurde den einzelnen Ma-
terialgruppen zugewiesen.
So war dann ein geschlos-
senes Auftreten des deutschen Kunstgewerbes zerstört
und es blieb im erweiterten Rahmen lediglich die „Ber-
liner Gewerbeausstellung", mit der sich die nachfolgenden
Berichte zu beschäftigen haben werden.

Nicht ohne heiße und mit Leidenschaft geführte
Kämpfe ist in kurzer Zeit das geworden, was sich dem
Auge des Beschauers heute in Treptow, an der Schwelle
Berlins, darbietet. Mit Opfersinn und Bürgerfleiß ist es
 
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