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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

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Kisa, Anton Carel: Antikes Kunsthandwerk am Rhein, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0156
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ANTIKES KUNSTHANDWERK AM RHEIN.

Gallischer Thonliecher. Ende des 2. Jahrb.
Sammlung C. A. Nießen in Köln.

hatten, farbige Glaspasten in Form von Perlen, Arm-
ringen und anderem Schmuck, hatte im nordöstlichen
Gallien Nachahmung gefunden und eine blühende Email-
industrie hervorgerufen; aber erst die alexandrinischen
Glasbläser, welche von den Eömern ins Land gezogen
wurden, lehrten die Handhabung der Glaspfeife und legten
damit den Grund zu der gallisch-rheinischen Glasindustrie,
welche von der Mitte des 2. Jahrh. ab die italische an
Bedeutung und Ausdehnung übertreffen und mit Alexan-
drien wetteifern sollte.

Wenn sie den Boden hier auch so gut wie unbebaut
vorfanden, so drang die heimische Eigenart doch bald in
das fremde Kunstgebiet ein und schuf neue Formen,
Dekorationsarten und Techniken. Wie die altägyptischen
und die alexandrinischen Glasmacher gewohnt waren,
ihre Motive der Keramik zu entlehnen, so boten den
gallisch-rheinischen Werkstätten die heimischen Thon-
waren hierbei die Muster. Das uns vorliegende Material
an Funden ist ungemein reichhaltig, aber noch nicht
gesichtet. Immerhin ist es schon heute möglich, in der
Industrie von vier Jahrhunderten die aufeinander folgen-
den Entwicklungstufen zu erkennen und die Entstehungs-
zeit einzelner charakteristischer Typen festzustellen.

Die ältesten Funde sind Importwaren aus Italien
und Alexandrien. Die kunstvollen opak-farbigen Gläser,
die etrurischen Millefioris, die alexandrinischen Petinet-
gläser und Alabastra fanden im Lande keine Nach-
ahmung; sie waren zur Zeit, als die heimischen Fabriken
zu arbeiten begannen, bereits aus der Mode gekommen.
Die zierlichen einfarbigen Fläschchen und Kännchen in
den edlen Formen der Oenochoe und andere der grie-
chischen Keramik entlehnte Typen, die kugelbauchigen
Fläschchen mit lippenlosem Halse, sind gleichen Ursprungs.
Diese Erzeugnisse wurden für die junge Industrie vor-
bildlich; sie hielt an ihnen im Laufe des ersten Jahr-
hunderts und im Anfange der folgenden Zeit fest, übertrug

sie jedoch mit Vorliebe in farbloses Glas besserer oder
geringerer Qualität. Manche von ihnen, namentlich die
Henkelkannen, erhalten sich mit einzelnen Modifikationen
am Ausguss und Henkel bis in die späteste Zeit. Von
gleicher Dauerhaftigkeit sind cylindrische Flaschen mit
eingeschnittenen Reifen, kurzem, lippenlosem Halse und
zwei kleinen, delphinartigen Ösen aus feinem farblosem
Glase, ferner viereckige gegossene Flaschen aus ähn-
lichem Material, mit langen Hälsen und ringförmig
flacher Mündung, welche an den Seitenflächen oft ein
Blattornament und am Boden die Figur eines Genius
mit den Initialen des Fabrikanten in Eelief zeigen.
Das beliebteste Material für Gebrauchsgläser ist durch-
sichtig licht-' oder blaugrün. Die Farbe rührt von
Eisenoxyden, her, welche sich fast immer als natürliche
Beimengung in dem zur Glaserzeugung verwandten
Flusssande vorfinden. Diese Sorte ist am leichtesten zu
erzeugen und erhält sich deshalb bis in clrS späteste
Zeit; sie ist noch bei den Franken und im frühen Mittel-
alter häufiger als jede andere. Aus ihr sind die großen
Aschenurnen des 1. u. 2. Jahrh. geblasen, unter denen
man zwei Hauptformen unterscheiden kann. Die einen
sind kugelig, anfangs mit ganz kurzem und scharf ab-
gesetztem, später höherem und ausgeschweiftem Halse,
versehen mit einem meist flach-kegelförmigen Deckel,
von dessen Spitze eine cylindrische Handhabe ernporragt,
an den Seiten dicke gegossene Henkel, häufig verdoppelt
oder „alle colonnette" gestaltet. Neben dieser italischen
Form findet sich eine alexandrinische; sie ist cylindrisch,
entweder ohne Hals oder ganz als dickbauchige ge-
drungene Flasche mit breitem, vielfach geripptem
Henkel gebildet, in Nachahmung der ein- und zwei-
henkligen Ölkannen, welche in allen Größen in Holz-
kästchen verpackt, aus Alexandrien importirt wurden.

Thonbecher mit Schuppenverzierung. 1. Jahrh. n. Chr.
Köln. Museum Wallraff Richartz.
 
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