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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

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Kisa, Anton Carel: Antikes Kunsthandwerk am Rhein, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0162
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ANTIKES KÜNSTHANDWERK AM RHEIN.

will nur beiläufig erwähnen, wie auch auf diesem Ge-
biete der Einfluss des großen Industriezentrums Alexan-
drien, den wir namentlich in der Glasindustrie so mächtig
sahen, sich geltend macht. Ägyptische Bronzestatuetten
des Osiris, der Isis mit Horus werden in rheinischen
Gräbern häufig gefunden, ferner hellenisch-ägyptische
Gestaltungen wie Serapis und Harpokrates, der Gott
des Schweigens. Der Typus der Isis klingt auch bei
Bronzefiguren der Fortuna durch, denen man ägyptischen
Kopfputz gegeben hat. Die unteren Ansätze von Ge-
fäßhenkeln zeigen oft ägyptische Masken. Dazu kommen
die zahlreichen JBronzefiguren des Apis mit der Sonnen-
scheibe zwischen den Hörnern, die Affen, Katzen und
sonstige vierfüßige Heilige. Dass sie — soweit sie sich
nicht als einheimische Nachbildungen erweisen — durch
den Handelsverkehr und nicht etwa durch Legionäre
ins Land gebracht wurden, geht aus ihrer geographi-
schen Verbreitung hervor. Sie finden sich nur an den
Handelsstraßen, die von Marseille und Narbonne aus-
gingen und die obengenannten Wege einschlugen. Wir
haben keine inschriftlichen Zeugnisse dafür, dass von
Legionen ägyptische Kulte verbreitet wurden, während
es an solchen nicht mangelt, welche beweisen, dass sie
die Bekanntschaft mit den von der Julia Domna prote-
girten syrischen Gottheiten vermittelten.

Von kleineren Zweigen des Kunsthandwerkes soll
nur weniges Charakteristische hervorgehoben werden.

Die Schnitzarbeit in Knochen enthält autochthone
Elemente in der beliebten Ausgestaltung von Dolch- und
Messergriffen zu Jagdszenen mit Hasen, Sehen und
Hunden, wie bei den Barbotinebechern. Auch mensch-
liche Doppelfiguren treten bereits auf, die Vorbilder für
die Messergriffe romanischer und gotischer Zeit.

Häufiger als in Italien sind Arbeiten aus Bernstein.
Er wird nicht nur zu Sclimuckperlen, Fingerringen,
Haarnadeln zugeschnitten, sondern in größeren Stücken
auch zu Reliefs und Statuetten, die zur Verzierung von
Schmuckkästchen verwendet wurden.

Eine beachtenswerte Industrie bildete die Verar-
beitung eines in neuerer Zeit wieder beliebten Materiales,
des Jet oder Gagates, sowohl in den Rheinlanden wie
in Britannien. Der Gagat ist ein vegetabilischer Stoff
in einer die Mitte zwischen Braunkohle und Steinkohle
haltenden Periode der Versteinerung; er ist noch nicht
ganz so hart, bildsamer und weniger spröde wie diese,
widerstandsfähiger und weniger brüchig als jene. In
der Bearbeitung wird er tiefschwarz und bekommt durch
Politur einen weichen Glanz. Den aus diesem Stoffe
gefertigten Gegenständen konnten die Jahrhunderte nichts

anhaben, sie gehen aus Lehmboden, Sand und Wasser
gleich unversehrt und spiegelblank hervor. Näher der
Braunkohle steht der Lignit. Er ist braun von Farbe,
zeigt noch deutlich die Holzstruktur und blättert im
Laufe der Zeit leicht ab. Beide wurden im Jura ge-
wonnen und schon in der la Tenezeit zu Arm- und
Beinringen, sowie zu solchen für die Haarknoten der
Frauen verarbeitet. In römischer Zeit nahm diese In-
dustrie großen Aufschwung. Die Natur des Materiales
bringt es mit sich, dass die Bearbeitung fast dieselbe
wie noch heute ist, ein Abdrehen von cylindrischen For-
men, Knoten und Wülsten, Einkerbungen und Fassetti-
rung durch rautenförmige Flächen. So entstanden Haar-
nadeln mit runden oder vieleckigen Köpfen, welche den
modernen zum Verwechseln gleichen, Schmuckketten aus
fiachrunden, fassettirten Gliedern und solchen mit einge-
schnittenen Rauten- und Gittermustern, die sich zu
Schlangen zusammensetzen, Hals- und Armbänder aus
dünngeschnittenen, dicht aneinander gefügten Scheiben,
außerdem Griffe, Stäbe, Spinnrocken mit Wülsten und
Köpfen in Gestalt von Pinienzapfen. Letztere werden
manchmal mit dem Mithraskult in Verbindung gebracht,
wofür aber ebenso wie für die Deutung der Ringe und
Ketten als Trauerschmuck der Beweis nicht erbracht
ist. Auch zu Statuetten wurde das schöne und gefügige
Material verarbeitet. Die Franken benützten es gleich-
falls zu Ringen und Spinnwirteln, gaben aber gewöhn-
lich dem noch leichter zu behandelnden Lignit den Vorzug.
Das Bild, welches ich hiermit von dem Charakter
des Kunsthandwerkes in einem von den großen Kultur-
centren der alten Welt abgelegenen Lande zu geben
versuchte, kann nur ein lücken- und skizzenhaftes sein.
Lückenhaft schon deshalb, weil auf diesem Gebiete bis-
her zwar schon unendlich viel geschrieben und geredet,
aber noch wenig gearbeitet wurde. Vielleicht vermag
es trotzdem einen Begriff von der Mannigfaltigkeit des
römischen Kunsthandwerkes und vor allem von der An-
passungsfähigkeit der Antike an fremde Bedürfnisse zu
geben. Aus dem Kompromiss zwischen antiken und bar-
barischen Formen entwickelt sich Neues und Eigen-
artiges, das nicht mit den veralteten Schlagworten von
Provinzialkunst und Verfall abgethan werden kann. Auf
rheinischem Boden und dem des östlichen Gallien er-
folgte im Kunsthandwerk jene Umbildung der Antike,
welche am besten geeignet war, auf die neu sich bil-
dende Kultur der cisalpinischen Länder einzuwirken, wie
andererseits in Kleinasien eine anders geartete, aus
welcher im Mittelalter die neu-orientalische Kunst ent-
stehen sollte.
 
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