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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

DOI article:
Rosenberg, Marc: Werke der mittelalterlichen Giesskunst in den Beziehungen zwischen Niederrhein und Oberrhein
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0178
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154

WERKE DER MITTELALTERLICHEN GIESSKÜNST.

Auch direkte Wiederholungen ge-
stanzter Ornamente, wie an dem
romanischen Reliquiar in Sitten
sind beobachtet worden. Wo aber
zwei in jeder Beziehung gleiche
Arbeiten vorliegen, handelt es sich
entweder um direkte Gegenstücke,
wie an den Reliquiarien im Museum
Cluny (Didron, Annales 1859,
S. 19) und vielleicht auch an der
Augsburger Bronzethür, oder man
ist genötigt, neuere Imitationen
zu erkennen, wie bei dem Liller
Eauchfasse mit den drei Jüng-
lingen im feurigen Ofen. Der
Fall jedoch, dass eine Werkstätte
Stücke in mehreren Exemplaren
gegossen und verbreitet hätte —
so sicher er auch vorgekommen
sein muss — hat sich noch nicht
unzweifelhaft nachweisen lassen.
Vielleicht aber werden wir jetzt
vor einen solchen geführt.

Die Straßburger Ausstellung
von 1895 machte mich mit dem
romanischen Reliquiar von Mols-
heim bekannt, welches in die
Litteratur längst eingeführt ist.
Es war dem Publikum zu Liebe,
welches auf allen Ausstellungen
und neuerdings auch in den Museen
durch Stimmungsbilder amüsirt zu
sein verlangt, auf den Altar einer
in andächtiges Dunkel gehüllten
Kapelle aufgestellt. Die unab-
wendbaren Anforderungen der
Sicherung verlangten, dass es mit
Drähten auf dem Altartisch be-
festigt werde. So konnte es aus
der Finsternis auch nicht ans Licht
gebracht werden, und ich verdanke
es dem Scheine einer Laterne, mit
welcher mir der unermüdliche und
verdienstvolle Veranstalter dieser
Ausstellung, Herr Prof. Schricker,
leuchtete, dass ich den Gegen-
stand wenigstens einigermaßen
kennen lernen konnte. Wegen
dieser Schwierigkeiten ist kein
Vorwurf zu erheben; wenn man
etwas für die Öffentlichkeit thut,
muss man sich auch ihren An-
forderungen fügen, und ich be-
dauere nur, dass sie heutzutage so
große Ansprüche erhebt, und schließ-

Entwurf zu einem Fischmesser von
Augdst (Jlaser, München.

lieh doch nicht genügend die Aus-
stellung besucht, um die ihr zu
Liebe aufgewendeten Mittel wieder
einzubringen.

Was ich in Straßburg unter
diesen erschwerten Umständen er-
kannte, war folgendes: Einerseits
ein Reliquiar mit einem neuen
Fuße und mit einer neuen Pomella
auf dem Deckel, strahlend in
nagelneuer Vergoldung, anderer-
seits ein Stück in romanischen
Formen, welches, soweit die Er-
innerung reichte, einem Xantener
Reliquiar sehr ähnlich sah.

Verschiedene Möglichkeiten
zur Aufklärung dieser auffallen-
den Umstände, wie sie bei einer
Fälschung sich nicht stärker hätten
häufen können, wurden besprochen,
ohne dass sich sogleich die rich-
tige Erklärung ergeben hätte. In-
zwischen haben die Veranstalter
der Ausstellung nach Schluss der-
selben das Reliquiar zur näheren
Untersuchung in Straßburg zurück-
behalten, und wir dürfen hoffen,
ein abschließendes Urteil über die
hier aufgetauchten Fragen in der
demnächst erscheinenden Ausstel-
lungspublikation zu finden.

Da mir das Xantener Reli-
quiar nur aus Abbildungen bekannt
ist, und ich das Molsheimer keines-
wegs genau gesehen habe, so ver-
mag ich selbst für diesen inter-
essanten Fall kaum etwas beizu-
steuern. Aber ich möchte doch
darlegen, wie sich die Frage für
micli gestaltet, nachdem ich wenig-
stens die Litteratur über das Mols-
heimer Reliquiar eingesehen habe;
vielleicht wird damit doch ein för-
dernder Anstoß geboten.

Es ergiebt sich unter Zuhilfe-
nahme mündlicher Mitteilungen vor
allem, dass der Fuß, die Pomella
und die Vergoldung einer Restau-
ration des defekten Stückes zu-
zuschreiben sind. Die etwaigen
Verdachtsmomente, die von dieser
Seite aus begründet werden könn-
ten, fallen somit fort. Es bleibt
nur noch die Übereinstimmung mit
dem Xantener Stück zu erklären.
 
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