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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 7.1896

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Über altes und neues Zinngerät
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https://doi.org/10.11588/diglit.4885#0195
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ÜBER ALTES UND NEUES ZINNGERAT.

rantiaschüsseln auch erscheinen, so erweisen sich doch
die französischen Exemplare den Nürnbergern bei ge-
nauer Untersuchung in der Ausführung der figürlichen
Partieen überlegen. Immerhin bleibt auch die Arbeit
des deutschen Meisters, wenn schon Kopie, doch eine
achtenswerte technische Leistung; seine selbständigen
Erzeugnisse bleiben aber an Kunstwert weit dahinter
zurück und erheben sich
kaum über die Durch-
schnittsware der damaligen
Nürnberger Gießereien. An
diese Hauptwerke des Edel-
zinnes schließt sich eine
Reihe ähnlich dekorirter
Schüsseln, Krüge und Kan-
nen, meist französischen,

seltener deutschen Ur-
sprunges, unter welchen
die Schüsseln mit der Fi-
gur des Mars, mit dem
Sündenfall und mit Her-
kules im Mittelfeld am
häufigsten erhalten sind.
Daneben entstanden wäh-
rend der ersten Hälfte des
17. Jahrhunderts in Nürn-
berg, in Sachsen und in
der deutschen Schweiz eine
Unmasse von Tellern, Schüs-
seln und sonstigen Gefäßen,
die ebenfalls zu dekorativem
Zweck mit reichem Relief-
schmuck, aber in hand-
werksmäßiger Ausführung
ausgestattet wurden. Da-
zu gehören .die in großen
Mengen noch erhaltenen
Zinngesehirre mit den Bil-
dern der deutschen Kaiser,
der Kurfürsten, Gustav
Adolfs und seiner Generale,
mit biblischen Geschichten,
den Wappen der Schweizer
Kantone und ähnliches mehr.
Welche Ausdehnung damals
— nach dem Jahre 1600,
die Zinngießerei nahm, lässt
sicli dem Umstand entneh-
men, dass in Nürnberg in städtischen Akten von 1600
bis 1660 56 Zinngießermeister aufgeführt Werden, während
die gleiche Periode des vorausgehenden Jahrhunderts
nur 14 aufwies.

Diese Hochblüte des Zinngusses hat die Mitte des
17. Jahrhunderts nicht lange überdauert. Man kehrte
zur gewöhnlichen Gebrauchsware zurück, der Relief-

Kanue aus Zäim, Arbeit von E. Kayser, Köln.

schmuck hörte allmählich auf und auch die Ätzung kam
nicht wieder zum Vorschein. Wenn überhaupt noch ein
Flächenschmuck beliebt wurde, wie bei den Zunftpokalen,
so musste die Gravirung wieder herhalten. Auch diese
wurde häufig in einer derberen Form als im 15. und 16.
Jahrhundert bevorzugt, indem die Zeichnung nicht mehr in
glatten Linien, sondern in breiten Zickzacklinien durch

das sogenannte Flecheln
eingegraben wurde. Im 18-
Jahrhundert hat das Ro-
koko auf die Zinngießerei
«inen merkbaren Einfiuss
geübt, dem eine wesentliche
Bereicherung des Formen-
schatzes durch lebhaft be-
wegte und gerippte Gefäß-
formen zu verdanken ist.
Schließlich hat auch das
Empire noch dem Zinn den
Stempel des Klassicismus
aufgedrückt, ohne besonders
glückliche oder eigenartige
Resultate zu zeitigen. Da-
mit war die Geschichte der
alten Zinngießerei beendigt.
In der Gegenwart hat
sich zuerst wieder die
Sammelliebhaberei der alten
Zinnsachen bemächtigt. Da-
durch wurde das Verständ-
nis für die Schönheit des
Materials wieder geweckt
und verbreitet. Es war nur
natürlich und berechtigt,
dass auch die moderne
Kunstindustrie an einem
so dankbaren Stoffe nicht
vorbeigehen konnte, ohne
den Versuch einer Wieder-
belebung zu machen. In-
folge der älteren Richtung
im modernen Kunstgewerbe,
die gelegentlich mehr die
Vorbilder der Vergangen-
heit als die Bedürfnisse der
Gegenwart im Auge hatte,
haben diese Versuche zu-
nächst an die alten Formen
und Zierweisen angeknüpft. Auch auf diesem Wege ist
manches Gute, namentlich in Süddeutschland, geschaffen
worden. Aber da die Masse der alten Vorbilder ein-
faches Gebrauchsgeschirr war, konnte einer auf ihrer
Nachbildung basirenden Richtung ein dauernder Erfolg
nicht beschieden sein. Denn es ist gänzlich aussichts-
los, bei dem heutigen Stand der Keramik und Glas-
 
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