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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Schulze, Otto: Nachlese von der Weltausstellung Brüssel
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0024

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NEUE ARBEITEN VON ALBIN MÜLLER IN DARMSTADT

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Unterrichtswesen ist das Echo bei allen Staaten zu finden,
leider sehr abgeschwächt, mehr den guten Willen zeigend,
nicht die Tat. Das gilt auch namentlich für unsere Kunst-,
Handwerker- und Fortbildungsschulen, wie auch für alle
Schulen, in denen die Erziehungsarbeit am ganzen Men-
schen, eben durch Arbeit, so auch in den Kindergärten
und Hilfsschulen für Schwachbegabte die Grundlage bilden.
Es soll damit nicht gesagt sein, daß bei uns keine Mängel
wären; sie treten aber doch zurück gegen all das Gute,
während sie, namentlich in den belgischen Schulen, die bis
zur Universität und Akademie vertreten sind, das Hervor-
stechende bilden. Wieviel kindlichen Dingen begegnen
wir da noch, wieviel Ungeschmack in den gewerblichen
Schulen, und dann, gerade wie im Gildenhause der Stadt
Brüssel, in ganz besonders schön ausgestatteten Räumen.
Das ist bedauerlich, gerade in der Umgebung solcher alten
Kultur, wie sie benachbart das Atelier Rubens ausstrahlt.
Man gewinnt das größere Maß davon, wenn man sich als
Ausstellungsbesucher die Mühe macht, die großartige Aus-
stellung alter belgischer und flamländischer Kunst und
Raumkunst des 16. und 17. Jahrhunderts mit den herrlich-
sten Originalwerken Rubens, van Dycks und deren Schulen,
wunderbaren Gobelins, Möbeln, Edelmetallarbeiten und
Kunstgewerbeblatt. N. F. XXII. H. 1

vielen anderen Din-
gen der alten Hand-
werkskünste im Pa-
lais du Cinquante-
naire eingehender
zu besichtigen. An-
gesichts dieser
Schätze hegt man
die berechtigte Hoff-
nung, daß auch das
aus den verschieden-
sten Stämmen sich
zusammensetzende
belgische Volk sich
zu einer hohen kul-
turellen Stufe hinauf-
arbeiten wird. □
o Man kann auch
rein äußerlich füh-
len, daß die Ansätze
dafür noch außer-
halb des eigentlichen
Volkskörpers liegen.
Außerhalb der gro-
ßen belgischen Hal-
len befinden sich
Anfangskeime. Das
H aus Serrurier-Bovy
in Brüssel pflegt mo-
derne Raumkunst
mit den Schlacken
des Jugendstils, wäh-
rend die ein kleines
ausgestattetes Land-
haus bietenden Ar-
chitekten O. X. und
A. Vandevoorde uns
scharf auf den Fer-
sen sind. Ich kann
mich nämlich nicht
zu dem Gedanken
emporschwingen,
daß unsere Ausstel-
lungszimmer nun
durchweg Muster-
leistungen enthalten; auch sie haben zum Teil fühlbare
Schwächen technischer, stilistischer und wohnlicher Art.
— Auch Holland zeigt gute Ansätze in Einzelleistungen,
weniger in Industriedingen; einzelne Zimmer sind gut,
ebenso etliche Keramiken, während wiederum die Edel-
metallarbeiten besonders feines Empfinden zeigen. Es
scheint mir selbstverständlich, daß wir deutschen Kri-
tiker, die auf den gesunden Modernismus eingeschworen
sind, sich ihren Maßstab rückhaltlos an den deutschen
Leistungen nehmen müssen in allem, das überhaupt ein
ernsthaftes Kriterium gestattet. So auch an Dingen, die
etwas beschämend für uns sind; ich nenne nur die Nach-
ahmung der Königl. Kopenhagenschen Porzellane durch
deutsche Manufakturen, wovon selbst unsere Staatsmanu-
fakturen nicht freizusprechen sind. Sevres ist leider nur
mit wenigen Stücken vertreten; vielleicht zehrt es noch
von seinen großen Erfolgen, die es unstreitig 1900 in Paris
errang. Wir hatten angeknüpft, aber zugunsten Kopen-
hagens gewisse Errungenschaften wieder preisgegeben.
Nebenbei greifen wir süddeutsches Genre auf, Berlin ist
nicht Berlin und Meißen nicht Meißen geblieben. Treibt
der Süden zuviel Inzucht, so wir zu wenig. Nur in Edel-
metallarbeiten gehen wir, es mehr mit dem Norden haltend,

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