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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0147

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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einander stimmen, zu einer Mauerfarbe die passenden
Farben für die Holzteile zu finden vermögen? Welch
törichte Frage! Wie werden denn die Herren Schulmeister
solch niedriges Handwerksgemüse lehren; sie sind doch
Künstler! Zum Teufel mit eurer Kunst; lehrt anstreichen!
Ein einziger richtiger und geschmackvoller Maueranstrich
ist tausendmal mehr wert, als all das Qewüst, durch das
sich vielleicht Blinde täuschen lassen, das aber in Wirk-
lichkeit die künftigen Gesellen noch mehr auf den Hund
bringen muß, als es jetzt die Meister schon sind. Das
Entwerfen kann aus dem Lehrplan der Innungsschulen, es
muß daraus gestrichen werden. Es dürfte doch wohl ge-
nügend bekannt sein, daß es Schablonenfabriken gibt! Die
meisten Maler werden zeitlebens die Produkte dieser Fa-
briken benutzen müssen; andere werden sich den Anord-
nungen eines Architekten zu fügen haben. Es genügt also,
wenn die Novizen lernen, aus dem vorhandenen Scha-
blonenmaterial das Erträgliche herauszufinden, wenn sie
lernen, die Sprache eines Architekten zu verstehen. Für
die wenigen Fälle, da wirklich vom Maler freihändige Ent-
würfe gefordert werden, werden sich die Talente ganz un-
abhängig vom Unterricht der Innungsschulen (wenn sie
wirklich beibehalten werden sollen) allezeit finden. Wirk-
liche Begabungen setzen sich immer durch, werden auch
sehr bald bemerkt; die große Zahl aber soll vor allem das
Handwerkliche können. Und daß solches etwa nicht nur
die Meinung des viel befehdeten Theoretikers ist, dafür
zeugt eine Resolution, die von einer Versammlung selb-
ständiger Maler der Provinz Sachsen 1906 angenommen
wurde, sie lautet: »Die auf dem 23. Verbandstag der selb-
ständigen Maler und Lackierer der Provinz Sachsen, der
Herzogtümer Anhalt und Braunschweig und der Thü-
ringischen Lande zu Aschersleben Anwesenden beschließen,
den Zentralvorstand des Deutschen Malerbundes zu be-
auftragen, dahin zu wirken, daß in den Fach- und Fort-
bildungsschulen unseres Gewerbes dem Unterricht in den
technischen Fächern ein breiterer Raum gewährt, dahin-
gegen das Ornamentmalen eingeschränkt werde. Begrün-
dung: Von dem Ausgelernten wird vor allem verlangt, daß
er in den am meisten gebräuchlichen Techniken und Ver-
fahren bewandert sei. Es wird nun von allen Seiten
darüber Klage geführt, daß der Unterricht in den Fach-
schulen nach dieser Richtung hin viel zu wünschen übrig
lasse; er wird deshalb vernachlässigt, weil auf die Formen-
bildung mehr Gewicht gelegt wird, als auf die technischen
Verfahren, die der jüngere Gehilfe in erster Linie für sein
weiteres Fortkommen nötig hat.« a
a Diese Resolution findet sich abgedruckt in dem treff-
lichen Büchlein von Hugo Hillig »Um die Zukunft der
Dekorationsmalerei«. Das ist nun auch ein Praktiker, ein
gelernter Maler, der diese ebenso hart anklagende wie klar
sehende Schrift veröffentlichte. Möchten die branden-
burgischen Innungsmeister nicht einmal klug genug wer-
den, um ihrem Kollegen, der allen Wahn dahinfahren ließ
und die wirtschaftliche Lage nebst deren Konsequenzen
unverhüllt erkannte, ein wenig zuhören? Es ist die höchste
Zeit, daß sie es tun. Man kann heute nicht mehr den
Kalkulationsfaktor, zu dem der Lehrling geworden ist, da-
durch vergolden, daß man demFrühstücksholer und Wagen-
zieher so nebenbei ein paar Pinselhiebe und Rebusscherze
einfuchst. Wenn anständige Werkstättendawären,brauchten
die Maler überhaupt keine Schule. Und heute brauchen
sie nichts anderes als ein Technikum, dem Abteilungen
für Farbenstimmung, für das Verstehen räumlicher Wir-

kung und für Schriftschreiben angefügt sind. Sollte man
es für möglich halten, daß unter den Wagenladungen der
Brandenburger nichts davon zu sehen war, daß Schrift
systematisch geübt wird; nichts davon, daß Räume auf
bestimmte Farbstellungen gestimmt werden? Hier gab es
nur eine Ausnahme, und die sei dankbar und anerkennend
hervorgehoben. An der Charlottenburger Handwerker-
schule unterrichten die Herren Fricke und Geerke; ihre
Methode darf vorbildlich und nachahmenswert genannt
werden. Sie lehren: Wände gegen Decken, Sockel gegen
Wände abstimmen, sie lehren: Flächen nach Verhältnissen
aufteilen. Recht so. Die Herren Fricke und Geercke
mögen den Schulmeistern der Malerinnung zu Lehrern
werden. Und außerdem: anstreichen, anstreichen! □
Robert Breuer.
□ Frankfurt a. M. Jungnickel- Ausstellung. Um dem
auf graphischen Gebiete immer mehr sich entwickelnden
künstlerischen wie technischen Fortschritt auch hier in Frank-
furt a. M. eine Lehrstätte zu bereiten, hat sich die hiesige
Kunstgewerbeschule entschlossen, mit Beginn des Sommer-
semesters in ihrem Neubau eine Klasse für die graphischen
Gewerbe (Lithographie und Buchdruck) zu errichten. (Ein
bekannter Besitzer einer hiesigen Schriftgießerei hat be-
reits für das Studium unbemittelter Schüler bedeutende
Stipendiengelder gestiftet). Die für obige Klasse gewonne-
nen Lehrkräfte haben, um sich den Frankfurter Fachkreisen
usw. vorzustellen, im Kunstgewerbemuseum eine Ausstel-
lung eigener Arbeiten arrangiert, welche beide Künstler in
ihrer Eigenart zeigt. Der Wiener L. H. Jungnickel, welcher
die neue Klasse für Lithographie und allgemeine graphische
künstlerische Ausbildung leiten wird, zeigt vor allem sein
großes Können in der straffen, zeichnerischen Erfassung
von Tiermotiven. Hierin leistet er Vorzügliches und be-
weist damit, daß er die Natur gründlich studierte, was
wohl gerade für einen Lehrer auf diesem Gebiete von
größtem Vorteil ist. Neben seinen Flamingos, Pelikanen,
Affen usw. zeigt er aber auch noch Radierungen, plakat-
mäßige Entwürfe, geschmackvolle, echt moderne Sporttypen
und humoristische Tierbilder. Originale, welche in farbiger
Spritzmanier ausgeführt wurden und Wald- und Feldbilder
darstellen, dürfen wohl mit ihren blumigen Wiesen, welche
einen etwas ornamentalen Eindruck machen, mit zum Besten
auf diesem Gebiete gehören. — Der andere Lehrer für die
typographische Klasse ist Emil Hölzl, welcher seine Aus-
bildung in allen Zweigen des Buchdrucks der Akademie
für Buchgewerbe in Leipzig verdankt. Seine ausgestellten
Arbeiten bestehen aus Katalogumschlägen, Etiketten, An-
noncen, Briefköpfen, Besuchskarten, Exlibris, Dokumenten
und einigen Bucheinbänden. Alle Entwürfe verraten Ge-
schmack, moderne Auffassung und ein sicheres technisches
Können, wenn auch hier und da Anklänge an Tiemann
und Kleukens vereinzelt zu finden sind. — Wir wünschen
der neuen Abteilung ein recht gutes Gedeihen. h. Kr.
BERICHTIGUNGEN
□ Hamburg. Die schönen Kostümzeichnungen in der Fest-
schrift des Hamburgischen Kunstgewerbevereins, die wir in
der vorigen Nummer erwähnten, stammen nicht nur von
Delavilla allein, sondern auch von Anton Kling. Den Um-
schlag zeichnete nicht B. Heim, wie wir schrieben, auch
nicht B. Helm, wie es in der Festschrift heißt, sondern
P. Helms, der gleichfalls Lehrer an der Hamburger Kunst-
gewerbeschule ist. n

Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwag, Berlin-Zehlendorf
Verlag von E. A. Seemann in Leipzig. — Druck von Ernst Hedrich Nachf., g. m. b. h. in Leipzig.
 
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