Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

DOI Artikel:
Kunstgewerbliche Rundschau
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0166

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU


Arbeitsraum in der Turbinenhalle der A. E. G.
und nicht einmal einwandfreies Altes bietet, keineswegs
zufriedenstellt. Da hat nun Leo Balet, der seine nicht
ganz einjährige Tätigkeit an der Stuttgarter Altertümer-
sammlung u. a. zu einer sehr guten neuen Aufstellung
und Durcharbeitung der ungemein wertvollen Porzellan-
schätze benutzte, äußerst glücklich eingegriffen und uns
einen mächtigen Band von rund 200 Seiten geschenkt, der
die Ludwigsburger Porzellanplastik erschöpfend zur Dar-
stellung bringt. Man muß geradezu staunen, daß ein
Erstlingswerk eines jungen Museumsbeamten schon eine
solche Gründlichkeit und Reife in der kritischen Beurteilung
sehr subtiler Verhältnisse offenbart, wenn man auch mit-
unter mit der oder jener Zuteilung, wie mit der etwas
breiten Gesamtanlage ebensowenig einverstanden sein
mag, wie mit der Polemik gegen verdiente Fachgenossen,
die oft nur deswegen festgenagelt werden, weil sie der
einzigen, bisher vorhandenen Literatur, nämlich Pfeiffer,
gefolgt sind. — Heutzutage begnügt man sich nicht mehr
damit, eine Porzellanfigur in die oder jene Manufaktur zu
verweisen und die ungefähre Periode anzugeben, sondern
ist schon vielfach so weit fortgeschritten, den ganzen
Figurenvorrat unter die urkundlich nachweisbaren Mo-
delleure der betreffenden Fabrik aufzuteilen, was aber
gerade in Ludwigsburg, wo die Signaturen viel seltener
sind als anderwärts und urkundliche Hinweise fast ganz
fehlen, große Schwierigkeiten bietet. Hier tritt nun —
ähnlich wie in der klassischen Archäologie — die stil-

sitzen, die alle einzelnen Manufakturen nach allen Rich-
tungen behandeln. Das Ludwigsburger Porzellan ist na-
mentlich seit der großen Stuttgarter Ausstellung des Jahres
1905 mit in die vorderste Reihe getreten, und wenn Leo
Balet, derzeit Assistent am Landesgewerbemuseum, damals
schon in Stuttgart gewesen wäre, hätten wir gewiß schon
früher ein abschließendes Werk aus seiner Feder erhalten.
Aber damals war noch kein Keramiker und wissenschaft-
licher Kunstgewerbler in Stuttgart, und so begnügte man
sich damit, die wichtigsten Stücke jener Ausstellung in
einem »Album« trefflich abgebildet zu vereinigen, aber die
wissenschaftliche Verarbeitung fiel aus, da Otto Wanner-
Brandt eingestandenerweise nach dieser Seite keine Am-
bitionen entwickelte und Berthold Pfeiffer, der bisher das
Ludwigsburger Monopol besaß, die Arbeit doch etwas zu
leicht nahm, nur den Historiker und nicht den Kunst-
historiker herauskehrte und selbst auf rein geschichtlichem
Gebiete den reichlich vorhandenen Quellen lange nicht
alles Wissenswerte zu entlocken wußte, ja sich oft nicht
einmal die Mühe gab, Widersprüche, die er heraufbeschwor,
entsprechend zu motivieren. — Heutzutage aber gibt es
kein Dilettieren mehr in der Geschichte des Kunstgewerbes.
Man hat an trefflichen Publikationen über altes Porzellan,
wie an den Büchern von E. Zimmermann, Folnesics und
Braun, Chr. Scherer, Hoffmann, Graul und Kurzwelly und
anderen so tüchtige Vorbilder, daß man sich mit einem
Bilderbuch und mit einer Einleitung, die nichts Neues

Peter Behrens

24
 
Annotationen