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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

DOI Artikel:
Breuer, Robert: Der Städtebau als architektonisches Problem
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0210

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STÄDTEBAU ALS ARCHITEKTONISCHES PROBLEM

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über ihr Territorium besaßen und
um solche Macht zu kämpfen
wußten. Als dann später die
Fürstenherrschaft und der Staat
sich in einer neuen Form orga-
nisierten und die Macht der Städte
abnahm, wurde die Architektur
der Rathäuser unsicher, und die
Gesamtanlage des Stadtplanes ver-
lor den klaren Ausdruck des
Selbstbewußtseins. Wenn die
Legitimation zur Macht getrübt
wird, trübt sich auch die Reinheit
der architektonischen Materiali-
sation. Warum können heute
keine Schlösser mehr gebaut wer-
den, wenigstens keine, die auch
nur annähernd die allsiegende
Gewalt des Heidelberger Baues
oder die des Schlüterschen zu
Berlin aufwiesen? Warum kann
kein modernes Schloß über das
Maß von Schwechten hinaus-
kommen? Weil die Zeit der
Bürger, die der Fabrik, der Par-
lamente und der sozialen Orga-
nisationen gekommen ist. Dieses
sind jetzt die Machtzentren, die
sich mit natürlicher Gewalt in
Stein und Eisen projizieren. Wo-
mit die Frage berechtigt scheint,
ob vielleicht auch wieder die
Stunde gekommen, da die Städte
aus eigener Macht sich einen archi-
tektonischen Organismus bauen
können und bauen müssen. □
n Über diese Dinge muß man
nachdenken, und diese letzte Frage
muß man zu lösen versuchen,
wenn man wirklich ernsthaft Aus-
kunft haben will über die Misere
des Städtebaus seit den Jahren
des Verfalles der absolutistischen
Fürstenmacht. Wenn man wissen
will, woher von gestern auf heute
die Sehnsucht wuchs, den Aus-
bau der Städte wieder zu einem
architektonischen Prinzip zu ver-
edeln; wenn man wissen will,
woher es kommt, daß das, was
ehedem nur wenige interessierte
und den andern kaum eine
Gleichgültigkeit, vielen aber nichts
als ein Mittel des Wuchers war,
heute zum Zentrum der leiden-
schaftlichsten Diskussion und der
heftigsten Kämpfe wurde, so muß
man nach der ökonomischen Ba-
sierung, nach der materialistischen
Stoßkraft solches Idealismus fragen.
Wie kommt es, daß heute die




MIRABUt.r W1B, J- .MAR.ej ^bSN-iETIARVM.

Das Innere der Peterskirche. Ein Beweis dafür, daß in architektonisch starken Zeiten Hochbau
und Städtebau den gleichen Prinzipien und den gleichen Tendenzen gehorchen.

Der Markusplatz in Venedig. Der Typus des Renaissancegefühls. Die Klarheit des
Raumes empfängt durch den Turm das Rückgrat.

Der Petersplatz in|Rom. Nach einem Stich aus dem Jahre 1790. Die Bewegungstendenz zum
Gewaltigen und die zum äußersten gesteigerte Vitalität des Raumes ist die steingewordene
Herrschaft Roms über die Erde.

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