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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 22.1911

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4361#0219

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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gewerbeschulmänner« von besonderem Interesse sein.
Zuerst sprach Direktor Otto Schulze-Elberfeld über »Die
Handwerker- und Kunstgewerbeschulen als Gehilfen- und
Meisterschulen«. Redner ging von dem neueren Ausbau
der »Gewerblichen Fortbildungsschule« aus, die er einheit-
lich als »Gewerbliche Pflichtschule« bezeichnet und in der
er als besondere Abteilung die »Lehrlingsschule« wissen
möchte. Dann müsse folgerichtig aus den Handwerker-
und Kunstgewerbeschulen, denen auch die großen Ge-
werbe- und Handwerkerschulen, die Schulen für Handwerk
und Industrie zuzuzählen seien, die Gesellen- und Meister-
schule werden. Das sei nicht nur aus den Altersunter-
schieden, sondern auch aus sozialen und wirtschaftlichen
Gründen heraus notwendig. Arbeitgeber und Arbeitnehmer,
auch im Lehrlinge habe man den zukünftigen Gesellen
und Meister zu sehen, würden getrennt bessere Ausbildung
genießen können. Der gesamte Unterricht habe von der
Persönlichkeit des Schülers, gleichsam von seinem Bildungs-
grade, von seinem Berufe und Tagewerk auszugehen.
Redner verurteilte den Klassenbetrieb und den Schulmeister-
ton, und forderte den Arbeits-, Studien-, Zeichensaal und
Werkstätten für die Meister und Gesellen, den Fachmann
mehr als Berater und Helfer, weniger als Lehrer. In
jedem der Arbeits- pp. Säle müsse eine gute Fachbibliothek,
Handbücher und Lexika allgemeinen Wissens jedem dort
Arbeitenden zur Verfügung stehen. Einschlägige Samm-
lungen, Vorführung neuer Maschinen, Werkzeuge und
Materialien wie neuer Arbeitsweisen und Techniken wären
gleichfalls zu wünschen. Es käme darauf an, im Schüler
den ganzen Menschen zunächst seinem Berufe nach zu
entwickeln; sittliche Arbeit sei das beste Erziehungsmittel
auch für den künftigen Staatsbürger. Ein besonderer
Religionsunterricht habe in gewerblichen Unterrichtsanstalten
keinen Raum. Diese Ausführungen fanden lebhafte Zu-
stimmung. □
□ Auch der zweite Vortrag, den Bildhauer und Ziseleur
Georg Bindhardt, Lehrer an der Handwerker- und Kunst-
gewerbeschule zu Altona, über »Der Künstler als Erzieher«
hielt, hinterließ einen starken Eindruck auf die Hörerschaft,
der sich auch in einer regen Debatte auslöste. Vortragen-
der wies in zutreffenden Darlegungen auf die Persönlich-
keitswerte und Tätigkeitsäußerungen des Künstlers als
Lehrer hin. Stete Fühlung zum Leben, zur Praxis und
volles Aufgehen dabei im Lehrberufe seien Grundforde-
rungen. Der Schüler müsse handwerkstechnisch, künst-
lerisch- und sittlich-empfindend ausgebildet und erzogen
werden. Der Künstler als Lehrer übernähme damit eine
große Verantwortung, nochzumal gerade er große persön-
liche Interessen zu vertreten habe, für die er als Künstler
und Mensch wirke. Nicht jeder Künstler sei ohne weiteres
als Lehrer zu verwenden; zu starker künstlerischer Egois-
mus sei ebenso zu verwerfen wie die allzu übertriebene
Forderung nach dem schulmeisternden Lehrer. Hierin
deckten sich in mancher Beziehung die Ausführungen des
Vortragenden mit denen von Direktor Schulze, der in der
anschließenden Aussprache darauf verwies, daß man noch
gar zu oft bei Direktoren und Lehrern nach dem großen
Namen fische, hinter dem dann nicht immer der große
Lehrer stecke; man erlebe sehr viel Mauserung und Ent-
täuschung nach den festen Anstellungen. Es sei sehr gut,
daß dieser Vortrag gerade von einem Kunstgewerbeschul-
lehrer ausginge, die Wahrheit der Worte würde leichter
begriffen, als wenn sie ein Direktor sagte. Er stimme mit
dem Redner voll und ganz überein und sei ihm überaus
dankbar für die wertvollen Bekenntnisse. Auch Herrn
Bindhardt wurde für seinen gehaltvollen Vortrag warmer
Beifall gespendet. □
□ Waren diese beiden Vorträge mehr von ideellen und

pädagogischen Gesichtspunkten getragen, so bot der dritte
Vortrag »Die künstlerische Färbung der Metalle, ihre Wege
und Ziele«, gehalten von Hugo Krause, Metallchemiker
und Lehrer an der Königlichen Fachschule zu Iserlohn,
ganz besonders reiche Anregung und Belehrung technischer
und künstlerischer Art. Der Vortragende beherrschte nicht
nur das weite Arbeitsgebiet der' Metallfärbung alter und
neuer Zeit vollkommen, sondern erwies sich auch dabei
als feiner Ästhetiker und tüchtiger Praktiker. Er schilderte
die verschiedensten Färbeverfahren, ihre Haltbarkeit und
Pflege in Rücksicht auf das einzelne Kunstobjekt und die
industrielle Massenware; die chemischen Vorgänge wurden
eingehend erörtert und eine große Reihe bewährter Rezepte,
die Redner auch in seiner Anleitung für die Metallfärbung
in seinem »Chemischem Auskunftsbuch« (bei Hartleben in
Wien erschienen) niedergelegt hat, in ihrer Anwendung
besprochen. An einer vortrefflich zusammengesteHten Aus-
lese gegossener, getriebener, geprägter und gestanzter
Arbeiten aus den verschiedensten Metallen und Legierungen,
es waren Figuren, Medaillen, Geräte, Gefäße, Waffenteile
und Schmuck in guten Beispielen vertreten, konnte Redner
seine Ausführungen bestens erhärten, denn es war daran
die ganze Farbenskala der besprochenen Rezepte und Ver-
fahren in z. T. wunderbaren Nuancen vorhanden. Auch
diesem Redner wurde für seine dankenswerten Belehrungen
und künstlerischen Hinweise der wärmste Dank der Ver-
sammlung bekundet. □
□ Noch eines Vortrages möchte ich hier gedenken, der
unser besonderes Interesse verdient, weil sein Pol eigent-
lich der springende Punkt in der Entwickelung des modernen
Kunstgewerbes ist. In der Gruppe für gewerbliche Pflicht-
und Fachschulen sprach der Kunstschriftsteller und Zeichen-
lehrer Robert Mielke-Berlin über »Die Kunst der Unbe-
gabten«. Seinen Ausführungen legte er folgende Leitsätze
zugrunde: □
o 1. Für die Kunstproduktion kommen wirkliche Künstler
und Mitarbeiter in Betracht, die (die Mitarbeiter) nicht in
der Lage sind, künstlerisch-schöpferisch zu schaffen. □
□ 2. Eine Scheidung zwischen beiden ist in der Produktion
nicht möglich. Ein großer Teil der Künstlerisch-Unbe-
gabten, aber Technisch-Geschickten wird von vielen Ge-
bieten des Kunstgewerbes nicht auszuschließen, sondern
gezwungen sein, sich künstlerisch zu betätigen. □
□ 3. Das ist ein schwerer Schaden für die Kunst, denn
die Künstlerisch-Unbegabten wirken zunächst durch An-
lehnung und Nachahmung; sie bleiben aber dabei nicht
stehen, sondern suchen durch Übertreibung ihr künst-
lerisches Unvermögen zu verdecken. □
□ 4. Das künstlerische Niveau wird dadurch herabgedrückt;
Schlichtheit und Rhylhmus werden vielfach durch künst-
lerische Taktlosigkeit ersetzt. □
□ 5. Dem kann auf die Dauer nur begegnet werden
durch die volle Berücksichtigung der Künstlerisch-Un-
begabten in der Erziehung des Handwerkers. Es wird
in der Fach- und Handwerkerschule eine Scheidung zu er-
streben sein zwischen einer allgemeinen Unterstufe und
einer besonderen Oberstufe, die nur die Künstlerisch-
Begabten aufnimmt. □
□ 6. Die Unterstufe hat an die charakteristische Eigenart
der Unbegabten, an die Nachahmung anzuknüpfen, indem
sie diese auf ein Gebiet ablenkt, das künstlerisch nicht
verwirrend sein kann: auf das Typische in der Entstehung
künstlerischer Formen. □
□ 7. Die Kunst selbst, insbesondere die, das feinste Ge-
fühl verlangende Lehre von der Anwendung des Ornamentes,
ist in der Regel erst auf der Oberstufe zu lehren.« □
o Wie zu erwarten war, knüpfte sich an diesen Vortrag
eine lebhaftere Aussprache. Der Gegenstand interessiert
 
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