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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Mahlberg, Paul: Das städtebauliche Ergebnis des Wettbewerbes zur Erlangung eines Bebauungsplanes für Gross-Düsseldorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0073

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EIN BEBAUUNGSPLAN FÜR GROSS-DÜSSELDORF

neuen Rheinbrücken wird allgemein als notwendig er-
achtet, ebenso die Vergrößerung, respektive Neuanlage von
Häfen. — Die Straßendurchbrüche waren natürlich nicht
leicht zu machen, denn wenn man eine Straße entlastete,
durfte man sie nicht brachlegen. Im allgemeinen ist die
städtebauliche Regel aber eingehalten worden: keine Höher-
wertung von Grundstücken durch Entwertung anderer. —
Es war ein Mangel, daß man bei der Abfassung der Aus-
schreibung, nicht auf den Zeitpunkt bezug nahm, bis zu dem
die Vorschläge der Entwürfe reichen, respektive wann sie
in Kraft treten sollten. Auch über die verfügbaren Mittel war
nichts gesagt, so daß die Pläne verschieden aussehen, die
einen kühner, die anderen gemessener in ihren Forderungen
sind. Unter den letzteren befinden sich hauptsächlich die
Pläne der einheimischen Architekturen. Sie werden darum
wohl auch die für Düsseldorf brauchbaren sein. □
□ Am besten und reifsten ist, wie schon gesagt, der
Entwurf 1. Vor allen Dingen ist die Lösung der Bahnhofs-
und Bahnkörperfrage sehr geschickt. Er gibt zwei Mög-
lichkeiten, die Leute hinterm Damm in den Verkehr
hereinzuziehen: eine Höherlegung des Bahnkörpers und
eine Tieferlegung. Bei dem zweiten, dem angenehmeren
Projekt, erhebt sich nur die Frage nach den Grundwasser-
verhältnissen. Der Bahnhof würde in der Anlage dem ham-
burgischen Bahnhof ähnlich werden. — Auch nach diesem
Entwurf verschwände der Hauptgüterbähnhof. Seine Stelle
nähmen Gartenanlagen ein. Diese werden mit dem Hofgarten
durch Alleestraßen in Verbindung gebracht, weiterhin nach
Osten durchgeführt, die Verbindung mit dem Ostpark und
dem Volksgarten wird hergestellt, und auf diese glückliche
Weise ein Parkgürtel rings um die Stadt gezogen. Weniger
können so hier und auch anders die Pläne für den Durch-
bruch Bahnhof—City gefallen. Die darin vorgesehenen Plätze
sind nicht schön, wenn auch Räumigkeit angestrebt scheint.
Vor allen Dingen entsprechen sie nicht dem Atemzug des
Verkehrs. Wenn uns das Bild einer Stadt befriedigen soll,
so müssen wir sehen können, wie sich das An- und Ab-
schwellen der Straßen nach ihm richtet. □
□ Es enttäuscht ein wenig, daß niemand von dem eigent-
lich Städtebaulichen in dem Problem ausgeht, oder den
Ton darauf legt. Eine Verkehrsstraße wird so gemacht:
Punkt A dort, Punkt B da, und nun eine möglichst
gerade und billige Verbindung; zwischendurch können
noch ein paar Plätze angelegt werden. Damit erhält man
Städte mit Dutzendgesichtern. Man muß den Charakter
der Bevölkerung behorchen, um den Verkehr schlagen zu
hören. Man kann seinen Takt nicht errechnen. □
□ Wie wenig Sinn im allgemeinen für städtebauliche Pro-
bleme aufgewandt wurde, beweise das: ich hatte bei einer
Ankündigung der Pläne geschrieben, daß derjenige von
ihnen den Preis erhalten müsse, der es verstünde, den
Schwerpunkt der neuen Anlage an die Peripherie der bis-
herigen Stadt zu verlegen, die selbst mit in das System ge-
zogen werden müßte. Ich hatte mir die Sache zu schwer vor-
gestellt, man legte sie viel einfacher: Man hat eben nirgendwo
einen städtebaulichen Schwerpunkt stipuliert. Alles wird
gleich laut ausgesprochen, jede Straße und jedes Viertel hat
den gleichen Akzent. Gefühl für die Artikulation ist aber das
Erste und Wichtigste, auch in der angewandten Kunst, vom
Sofakissen bis zum Städtebau . Und darum ist Dürer doch
eben der große Deutsche, weil er zuerst der Proporz« der
menschlichen Figur nachforschte und ihre Kenntnis bei der
Konstruktion anwandte. Um ein Verhältnis aufzustellen,
muß man aber zuerst Abschnitte haben. Da entdeckte er
die Gelenke, die Artikulation, für die deutsche Kunst. o
□ Es ist wahr, Düsseldorf hat die eigentliche Gelegenheit
zu einem monumentalen Zentrum mit der planlosen Be-
bauung des Exzerzierplatzes vertan. Er hätte mit den

Monumentalbauten seiner Banken, Schulen, Theater, mit
dem Stahlhof und anderen Handelsstätten zum archi-
tektonischen und städtebaulichen Zentralpunkt Düssel-
dorfs werden können, wie er sein geographischer ist.
Mit dem Ausdruck »Zentralpunkt verbinden wir den Be-
griff von etwas nach außen hin Wirksamem. Von solch
einem Punkte sollen gleichsam Kraftlinien ausgehen. Dar-
um die Ansammlung von Monumentalbauten als Reser-
voiren räumlicher und intellektueller Wirkung. Diese kann
sich aber erst an der Umgebung erproben, und wo die
nicht ist, hat alle Kraft ihr Recht verloren. Darum bleibt
es auch ein Versuch am untauglichen Objekt, aus dem Platz
der bisherigen Akademie durch Bestellung mit monumen-
talen Bauten ein Zentrum zu machen. Es wird eine An-
häufung von Kolossalbauten bleiben, denn es fehlt das
Hinterland für die Wirkungsmöglichkeiten, die Tausend
gleichsam, durch deren Beherrschung die Energie sich erst
als solche erweisen kann. Es ist ein Beweis für das ge-
ringe Gefühl für derartige Probleme, wenn alle Pläne an
dem einen Ort den Platz für ein neues Kunstgewerbemuseum,
ein neues Theater, eine Festhalle und ein repräsentatives
Kaffeehaus am Rhein vorsehen. An der einen Seite ist näm-
lich die beträchtlich steigende Brückenrampe gelegen, dahinter
und auf einer andern Seite des vorgesehenen Platzes der
Park. Vor dem Massiv der Rampe und der monumentalen
Brücke wird übrigens auch so bald nichts aufkommen. □
o Der Plan hat aber noch einen andern Fehler, der mit dem
zusammenhängt, was ich über das Abhorchen des Verkehrs
sagte. Es genügt nicht, daß solche Festhallen und Theater
für sich genügend Nutzen aufbringen. Sie sind zum Wohl
der ganzen Stadt da. Nun ist es hier so, daß der Fremden-
verkehr auf Umwegen über schöne Straßen, die aber ganz
und gar nicht Geschäftsstraßen sind, zu diesen Stätten hin-
geführt würde. Die Vergnügungsstätten dürfen den Ver-
kehr vom Bahnhof nicht seitwärts herausfließen lassen,
sondern müssen ihn kräftig durch die Stadt durchsaugen.
Bahnhof und sie sind wie Mund und Lunge. — In Hagen
wird jetzt nach dem Prinzip der Durchsaugung die Stadt-
halle an der Springe angelegt werden. In Düsseldorf ge-
hörte sie dahin, wo man jetzt gerade das Landeshaus mit
der Wohnung des Landeshauptmannes hingebaut hat. Da
dieser Platz also besetzt ist, müßte man schon den Kom-
plex des Karlstors dafür nehmen. Damit würde die Graf
Adolphstraße, deren Verkehr mehr und mehr zurückgeht,
die von den Geschäften der Schadowstraße und Königs-
allee totgedrückt wird, wieder lebendig werden. Die An-
lage an dem jetzt geplanten Ort würde nur die Ruhe einiger
Parkwege stören. □
□ Aber auch von einer anderen Seite aus wäre sie zu
verwerfen. Es handelt sich um die Gestaltung des Rhein-
ufers. Als nach der Rheinregulierung die große Uferstraße
gebaut wurde, hatte man eine Monumentalstraße im Auge.
Die Unternehmer haben die schlechteste Flußansicht aller
Rheinstädte daraus gemacht, ln der langen Reihe von
Mietshäusern stehen drei öffentliche Gebäude. Sie sind
leider in dem Monumentalstil erbaut, der sich jetzt in
Düsseldorf entwickelt hat. Er ist, symptomatisch für diese
Stadt des Ausstellungstamtams, aus der Architektur der
Holzhallen der letzten Ausstellungen abgezogen. Man hat
den notgedrungen schmucklosen und ungegliederten Stil
der Holzhallen in den Stein übertragen und gibt das für
monumental aus. In diesem Düsseldorfer Monumental-
stil« stehen da: das Landeshaus, die Kgl. Regierung und
das Oberlandesgericht. Als einziges Haus am ganzen
Rheinufer muß dasjenige für die Mannesmannwerke von
Peter Behrens gelten. □
o Am Rhein soll jetzt auch das neue Rathaus gebaut
werden, und zwar wird es eine Front von fast 400 Metern
 
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