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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Urff, Siegmund: Die Elfenbeinschnitzerei im Odenwalde
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0103

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96

DIE ELFENBEINSCHNITZEREI IM ODENWALDE


persönlich überbracht wurden. Die Löhne schnellten
in die Höhe. Vierzig bis sechzig Mark Wochenlohn
bildeten die Regel. . □
□ Aber es war nur ein flüchtiger Glanz, den die
Glückssonne über das Erbacher Tal breitete. Mitte
der achtziger Jahre verschwanden die Rosenbroschen
wieder aus der Mode und die Einnahmequellen der
Elfenbeinschnitzer versiegten. Ein Meister nach dem


O. Glenz, Wachsmodell einer Badenden.
Daneben das dazu gehörige Stück Elefantenzahn

anderen legte die Arbeit nieder. Die Gehilfen ver-
liefen sich, ergriffen andere Beschäftigungen oder zogen
in die Fremde. Aus war es mit der glücklichen »Rosen-
zeit«. Wohl sind dann später wieder bessere Zeiten
gekommen, aber die Blüte der siebziger Jahre ist nie
wieder erreicht worden. n
□ Gegenwärtig haben wir in Erbach und Michelstadt
eigentlich zwei verschiedene Handwerke zu unter-
scheiden, die wohl viel Verwandtes miteinander haben,
aber sich scheinbar in der Betriebsform immer weiter
voneinander entfernen werden, die Elfenbeinschnitzerei
und die Beinschnitzerei. Während diese nur durch
die Masse wirken kann und durch weitgehende An-
wendung von Maschinen eine immer größere Ver-
billigung ihrer Erzeugnisse anstreben muß, gestaltet
sich jene mehr und mehr zu einem edlen Kunsthand-
werke aus, das nur durch die Güte der Ausführung
seinen Markt findet. o
n Schon das Arbeitsmaterial bedingt diesen wesent-
lichen Unterschied. Tierknochen sind überall billig zu
haben. Die südamerikanischen Fleischextraktländer
könnten ganze Schiffsladungen liefern. Dagegen ist
das Elfenbein ein sehr kostbares Material, das noch
dazu immer seltener wird und schon jetzt einen Preis
erreicht hat, der seine Verwendung zu billiger Massen-
ware von vornherein ausschließt. Einige Angaben
mögen die rapide Preissteigerung veranschaulichen.
Im Jahre 1840 zahlte man für afrikanisches Elfenbein
im Zahn pro Kilo 10 bis 15 Mark; 1880 18 bis
20 Mark, jetzt 34 bis 37 Mark und mehr. Wenn das
so weiter geht, dann werden die Preise bald uner-
schwinglich sein. Und es muß so weiter gehen. Man
hat berechnet, daß bei dem gegenwärtigen Verbrauch
an Elfenbein, besonders für Billardbälle, Toilettengegen-
stände, Klaviertasten usw., jährlich etwa 65 000 Elefanten
ihr Leben lassen müssen. In Indien ist der wilde
Elefant schon so ziemlich ausgerottet. Es wird schon
seit vielen Jahren nach Indien viel mehr Elfenbein aus
Afrika eingeführt, als von dort zur Ausfuhr gelangt.
Auch der afrikanische Elefant ist bereits in das Innerste
des Erdteiles zurückgedrängt. Aber auch dort findet
er keine Ruhe, und die Zeit läßt sich schon jetzt vor-
aussehen, wo er, wenn es nicht vielleicht gelingt, ihn
zu zähmen und dem Menschen dienstbar zu machen,
ganz von der Erde verschwunden sein wird. □
□ Je kostbarer aber das Rohmaterial wird, desto größere
Sorgfalt muß man auf seine Verarbeitung verwenden,
um endlich nur noch wahre Kunstwerke zu schaffen,
die, auch abgesehen vom Stoff, einen dauernden Wert
besitzen. Solche Arbeiten werden auch immer Ab-
nehmer finden, um so eher, je besser sie der Kritik
des bildenden Künstlers standhalten. Dies hat man
nun auch in Erbach eingesehen, und dem früheren
mehr handwerksmäßigen Betriebe, der sich besonders
während der »Rosenzeit« eingebürgert hatte, ist ein
reger Eifer nach künstlerischer Vollendung gefolgt.
Auch der Staat und wieder das Grafenhaus sind diesem
Streben der Schnitzer entgegengekommen. Man hat
mit Unterstützung der Grafen in Erbach eine Fach-
schule für Elfenbeinschnitzer gegründet, die, obgleich
noch verhältnismäßig jung an Jahren, doch schon
mancherlei Gutes gewirkt hat. o
 
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