Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

DOI Artikel:
Kühl, Hugo: Die Bildung der Patina
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0159

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1 KO
1

DIE KUNSTGEWERBESCHULE IN ELBERFELD

die Bronzestatuen in grünen Gärten, fern von Ruß und Gas
mit einem schön grünen Edelrost, der aus basisch kohlen-
saurem Salz besteht, nicht aber die Kunstwerke in der
Nähe von Fabriken. Es macht sich der Einfluß der In-
dustrie geltend. In verschiedenen Großstädten, z. B. in
Berlin und London, hat man die Bildung schwarzer Flecken
auf Bronzestatuen beobachtet. Ein interessantes Beispiel
ist die berühmte Statue des großen Kurfürsten in Berlin,
welche früher eine herrliche, grüne Patina besaß, während
seit einigen Jahrzehnten eine dunkle Färbung auftritt. Durch
Analyse der Patina konnte ein wesentlicher Gehalt an
Schwefel nachgewiesen werden. Die moderne Industrie
hat eine starke Verunreinigung der Luft durch schweflige
Säure und Schwefelwasserstoff zur Folge. Diese Ver-
änderung der Atmosphäre bedingt selbstverständlich eine
Veränderung des Edelrostes in chemischer Beziehung, o
□ Man hat zu unterscheiden, ob eine nicht patinierte Statue
durch die Bestandteile der Atmosphäre geschwärzt wird,
oder ob es sich um eine Umbildung der schon vorhandenen
natürlichen Patina handelt. Im ersten Falle wirken Schmutz,
Staub und Ruß wesentlich mit; sie verhindern die Bildung
des basisch kohlensauren Salzes und fördern die des
Schwefelkupfers. Wie groß der Einfluß verunreinigter Luft
ist, möchte ich an zwei Beispielen kurz skizzieren. o
□ Die in der Stadt London aufgestellten Bronzedenkmäler
besitzen durchgehend eine schwarze Färbung, während die
außerhalb in Gärten errichteten Denkmäler eine schöne,
grüne Patina aufweisen. Die Büste des Plato im Prin-
zessinnengarten Berlins war nach Fünf Vierteljahren schon
sehr unansehnlich geworden, dagegen hatte sich in dem-
selben Zeitraum die Büste des Adoranten im Schloßgarten
zu Charlottenburg kaum verändert. Der Einfluß der atmo-
sphärischen Luft ist daher sehr weitgehend, wie wir sehen.
Dasselbe gilt aber von dem Boden, der uns reiche Bronze-
schätze aus einer alten Zeit wiederschenkte. In einem der
alten Keltengräber bei Halstadt fand A. v. Schrötter einen
aus Bronze gebildeten Überzug auf einer antiken Haue.
Auf den Bruchstücken waren drei Schichten zu unter-
scheiden. Die äußere und zugleich mächtigste besaß eine
indigoblaue Farbe und bestand aus Einfachschwefelkupfer,
die zweite war schwarzgrau und leicht als Halbschwefel-
kupfer erkennbar. Die dritte Schicht endlich bestand aus


Wandleuchter, Messing getrieben
Fachlehrer Hilmar Lauterbach

einem feinen schwarzen Pulver und enthielt die Bestand-
teile der antiken Bronze. Wir [haben die äußere Schicht
als eine Patina anzusehen, die im Laufe vieler Jahrhunderte
eine durchgreifende Veränderung erlitt. Es ist kaum an-
zunehmen, daß die Schwefelverbindungen infolge einer
Einwirkung von Schwefelwasserstoff auf das Metall ent-
standen; doch liegt die Möglichkeit nahe, daß zuerst im
Boden enthaltene Salze und Säuren in Reaktion traten, daß
somit Metallsalze entstanden, die natürlich durch Schwefel-
wasserstoffgas in Sulfide langsam verwandelt wurden. Man
kann aber mit gleicher Berechtigung annehmen, daß sich
zuerst Schwefel- und schwefligsaure Salze bildeten an der
Oberfläche der Metalle, welche eine Reduktion erfuhren.
Oxydations-und Reduktionserscheinungen sind etwas Selbst-
verständliches, jede Lebensäußerung der Mikroorganismen
im Boden bedingt sie. a
□ Das Meer hat uns herrlich patinierte bronzene Schiffs-
verzierungen aus der Wikinger Zeit wiedergegeben. Bei
der Durchforschung des Wattmeeres fand man sie im
Schlick. Es ist ganz natürlich, daß die Chlor-, Brom- und
Jodsalze des Meerwassers sich nicht nur an der Patina-
bildung beteiligten, sondern dieselbe mehr oder weniger
bedingten. Von mir ausgeführte Analysen solcher, dem
Meeresgebiete entstammenden Bronzen ergaben einen recht
hohen Chlorkupfergehalt. Auch alte peruanische Skulpturen
waren mit einer grünen, Chlorkupfer enthaltenen Patina
bedeckt. □
n Wir sehen schon jetzt, daß die alte Erklärung des Be-
griffes Patina ins Wanken kommt; ihre völlige Unhaltbar-
keit erkennen wir, wenn wir die Zusammensetzung der
Bronze berücksichtigen. Es kann sich nur um einen kleinen
Streifzug handeln, wir würden uns zu sehr verlieren, wollten
wir die Beziehungen zergliedern, die zwischen Bronze und
Edelrost naturgemäß bestehen. □
□ Eine wundervolle mattschwarze Patina fand man auf
japanischen und chinesischen Bronzen folgender Zusammen-
setzung: n

a
b
c
d
e
Kupfer
82.75
82.90
81.30
83.09
72.09
Zinn
4.36
2.64
3.27
3.23
5.52
Blei
9.20
10.47
11.05
11.50
20.31
Gold

Spuren



Eisen
9.55
0.64
0.67
0.22
1.73
Nickel

Spuren



Zink
1.86
2.74
3.27
0.50
0.67
Arsen
Spuren
0.25
Spuren
0.25
Spuren
Schwefel
Spuren
Spuren


Spuren

Die mattschwarze Farbe des Edelrostes, die an Intensität
mit zunehmendem Bleigehalt wächst, ist auf den großen
Bleigehalt zurückzuführen. Es kann sich um die Bildung
von Schwefelblei handeln oder von Bleisuboxyd. Das
erste würde entstanden sein durch Einwirkung von Schwefel-
wasserstoff auf oberflächlich gebildete Bleisalze, das letzte
durch Reduktion sauerstoffreicherer Bleisalze. Es liegt nun
die Vermutung nahe, daß alle bleireichen Bronzekompo-
sitionen die dunkle Patina zeigen. Das ist aber durchaus
nicht der Fall; die alten Römer der späteren Kaiserzeit
brachten große Mengen Blei in ihre Bronzen, trotzdem be-
sitzen diese, soweit sie uns erhalten sind, eine grüne
Patina. Die Ursache der Schwärzung ist die Folge eines
ungleichmäßigen Gusses. Das Wesen der Legierung ist
erst durch die physikalische Chemie erforscht, diese aber
ist eine moderne Wissenschaft. In den durch mattschwarze
Patina ausgezeichneten Bronzen überwiegt das Blei in der
Oberfläche. Es überrascht den Bronzekenner, daß das
Eisen, welches die Farbe der Legierung außerordentlich
beeinflußt, die Meister der Antike setzen dem Bronzemetall
Eisen zu, um die Totenblässe zu erzielen, auf den Ton der
 
Annotationen