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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 24.1913

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Niemeyer, Wilhelm: Hamburgische Wohnungskunst: Das Haus Otto Blohm: Raumbildungen von R. A. Schröder und Hans Heller
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https://doi.org/10.11588/diglit.4432#0213

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206

DAS HAUS OTTO BLOHM IN HAMBURG

c Die Gesamtfarbe des Raumes geht von diesen
Holzvertäfelungen und -Umrahmungen als den Trägern
der architektonischen Rhythmik aus. Australische
Seideneiche wurde für alle Holzteile verwandt und
gibt mit ihrem warmen und weichen Graubraun die
Skala an. Der Kaminmantel übersetzt den Ton in das
Harte schwarzen Marmorglanzes, dem das Sprühen
weißer Äderung energisches Leben gibt. Braune
Lederfarbe und helle Bronze führen die Farbigkeit
fort. Ihre Sammlung finden alle die so angeschlagenen
Farbwerte in der seidenen Wandbespannung, deren
Farben, Grau, Gelb und Schwarz, von einem groß-
formigen Muster getragen werden, in dem orientali-
sches Flächenornamentgefühl sich mit dem Prachtsinn
des Barock durchdringt. Dieser Stoff schafft die Ver-
mittlung zwischen der geometrischen Rahmenrhythmik
der Wände und den alten Möbeln, Rokokouhr, hol-
ländischem Glasschrank, Barockstuhl, die zum Mobiliar
des Zimmers gehören. Diese historischen Stücke sind
an der Rückseite des Zimmers wie an einer Schau-
wand zusammengestellt. So ist das Verschiedene zur
Harmonie geordnet, indem die Einzelgruppen der
großen Gliederung nach Flächeneinheiten eingefügt
werden. Die beiden großen Sofas, Rücken an Rücken
gestellt, bilden mit ihrer ruhigen Masse einen prächtig
wirkenden Mittelkörper für den Raum. Der Schreib-
tisch in der Erkernische hat seinen eigenen Raum.
So sind alle Möbel und Möbelgruppen klar in das
Raumsystem gefügt. Mit Glück ist bewirkt, daß Altes
und Neues geschieden ist und doch in Harmonie
steht. Die Decke schließt mit sehr fein berechneter
Profilierung des Reliefs ihrer Einsprünge die Form-
bewegung des Ganzen lebendig ab. □
□ Auch in den Räumen, die Rudolf Alexander
Schröder geschaffen hat, ist die Grundlage aller
Ordnung des Raumbildes eine bestimmte Gliederung
des Raumes nach Raumteilen und geschlossenen
Gruppen der Möbelformen. Der Künstler würde
seine feinsinnige Verlebendigung älterer Wohnungs-
kultur nie erreichen, wenn nicht auch er das We-
sentliche der modernen Bewegung, den Sinn für
formale Wahrheit und klare Raumfunktion besäße.
Daher sind seine Räume durch eine Welt von den
Arbeiten stilnachahmender Architekten geschieden.
Denn bei ihm hat alles ein echtes und innerliches,
weil persönlich geschaffenes Leben. Seine Anfangs-
schöpfungen, die Räume für Heymel in München,
zeigten zwar sofort den Besitz hanseatischer Kultur-
erinnerungen, waren aber zugleich in der strengen
Mathematik der Flächengliederungen modern. Diesen
Ausgangswert wahren alle seine Raumschöpfungen,
nur daß er den Grundrhythmus unbefangener, wissen-
der, verliebter als alle mit den Formen unserer edelsten
vergangenen Raumkunst erfüllt. Was bei einem andern
vielleicht Stilimitation wäre, ist bei ihm Wahrheit,
Gefühl, Recht. Er ist als Raumschöpfer, was er als
Dichter ist: Fortbildner der Formen unserer höchsten
Geistesperiode. Von der Leidenschaft dieser Geistes-
beziehung zu unserer klassischen Vergangenheit, von
der Hochspannung dieser seelischen Wahlverwandt-
schaft haben freilich die nur heutigen Künstler, die

ihn befehden, ebensowenig einen Begriff wie die
naiven Gemüter, die seine Kunst imitieren. □
□ Seine Kunst hat ihre hohe Bedeutung darin, daß
sie ein wahres und produktives Verhältnis zur bürger-
lichen Wohnform unserer Vergangenheit gesucht hat,
gerade dadurch, daß sie dem fa-t verlorenen Erbe
die Hand so weit entgegengestreckt □
□ Einheitsmittel zwischen Altem und Neuem ist bei
Schröder nicht der gemessene Rhythmus der Raum-
gliederung, sondern die formale Verwandtschaft der
Einzeldinge. Die alten und neuen Möbel sind nicht
gesondert und zusammengefaßt, sondern gemischt und
lose verwoben. Ordnung und Beziehung bringt in
das lockere Gefüge reizvoller Emzelstücke aber auch
hier die große Funktionsgliederung des Raumes. □
□ Im Damenzimmer bedingt ein hölzerner Einbau,
der eine Treppe nach dem Obergeschoß umschließt,
eine Gliederung des Raumes, die feinfühlig ausgenutzt
wurde. Es bilden der Schreibtisch mit der Fenster-
nische, dann die aus Einzelteilen zu eigenartiger Form
zusammengefügte Sitzbank mit der Bücherwand, schließ-
lich der Kamin mit dem Eck-utzplatz drei Hauptpunkte
der Raumgliederung, um welche Formen und Farben
sich zu harmonischen Gruppen ordnen. Wie dabei
immer aus Altem und Neuem sich eine Wirkungseinheit
ergibt, das ist jedesmal undefinierbares Produkt von Ge-
schmack und Stilgefühl. Zu dem grauen Farbanstrich
der Holzvertäfelung im apartenTon der Treppengeländer
alter Dielen steht die Buntheit der Bücherreihen sehr
pikant. Zu einem kostbaren französischen Seidenbezug
auf dem Sessel stimmt eine bedruckte Flanelldecke mit
einem Ornament aus der Zeit Louis Philippe. Der
blaßblumige Teppich, dessen lila Schatten in den
Mustern aus dem Stil der modernen Malerei stammen,
verträgt sich mit dem scharfen Seidengrün der Sitz-
bank und mit dem Glanz alter Perlstickereien. Die
harten Farben weißgoldener Porzellane stehen edel
über dem Stahlglanz des Kaminmantels mit seinen
Goldpalmetten. Metallkugeln brechen die Gerad-
linigkeit der Schnüre des Leuchtkorpers, so daß die
starren Kegellinien im vielfältigen Schwirren leicht
und schwebend werden. □
□ Gegen den locker ausgestreuten Wechsel vollen
Reichtum des Damenzimmers ist das Raumbild des
Salons betont repräsentativ. Goldbrauner Seidenstoff
in breiter Vertikalstreifung gibt den Flächen eine
strenge Eleganz. Die Streifung der Lampassobezüge
der Möbel in weiß und goldigem Moiree nimmt diese
straffe Linearität auf. Die Reserve dieser Form wird
durch die feine Pikanterie glänzender Metallkugeln an
den Füßen der Sitzbänke geistreich durchbrochen.
Prunkvoll ist die Wirkung der Vitrine, die die Porzellan-
sammlung birgt. Stücke von Rosenholz sind zu Orna-
menten der Maserung zusammengefügt. Die saftig
leuchtende Politur gibt dem kostbaren Holz eine Wir-
kung, dem Schliff von Marmor ähnlich, so daß die
Materialitäten von Mineral und Holzfaser ihre Schön-
heit seltsam paaren und verkreuzen. Das gesamte
Formleben des Raumes ist auf Glanz und Schärfe,
auf Präzision der Linie gestellt in wirksamem Kontrast
zu der losen Vielheit des Nebenraumes. n
 
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