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KUNSTNACHRICHTEN

BEIBLATT DER KUNSTWELT

Die »Kunstnachrichten« sind ständiges :::: ERSCHEINT MONATLICH ::

Nachrichtenblatt von 32 deutschen Kunst- ^^on ™* E*Pedition:

BERLIN W. 62 ■ Kurfürstenstraße 131
vereinen. Jährlich 3 M., durch den fB! mf , ^r .

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II. JAHRG. No. 1 1. Oktober 1912

Bilderpreise einst und jetzt. Von Adolph Donath.

Unsere Maler sprechen oft mit gewisser Er- dieses nervöse Besitzen-Wollen um jeden Preis,
bitterung von den Riesen preisen, die heute für Man denke an Caesar, der für zwei Bilder des
alte Kunst bezahlt werden. Warum gebt Ihr - Malers Timomachos (aus der Diadochenzeit), für

so hört man sie reden - - diese Unsummen nicht seinen „rasenden Ajax" und seine „Medea" nicht

für uns aus, warum unterstützt Ihr nicht die weniger als 8o Talente, das sind 432000 Mark,

Lebenden? Gewiß, diese Fragen sind ernst, und gezahlt hat, oder man denke daran, daß

wir verstehen wohl, daß sie gestellt werden. Polyklets „Diadumenos" auf nicht weniger als

Denn der Künstler hat ein Recht, daß man ihn 100 Talente, das sind 540000 Mark, geschätzt

respektiert, hat ein Recht, gefördert zu werden. worden war. Hier handelt es sich allerdings um

Nun aber könnte man einwerfen: niemals sind Kunstwerke und -werte allerersten Ranges,

die Künstler in verhältnismäßig günstigerer Lage Solche Marktprinzipien sind also nicht gerade

gewesen als heute, aber niemals freilich war die neuesten Datums.

Überproduktion an Kunst, besonders in der Den Begriff des „Amerikanismus", wie wir ihn

Malerei, so stark wie heute und niemals hat heute empfinden, kannte man auch in der Re-

sich auch -— das muß gesagt werden die naissance und im 17. und 18. Jahrhundert. Der

Mittelmäßigkeit so breit gemacht wie jetzt. Porträtist Sargent nimmt heute freilich höhere

Dies eben ist auch der Krebsschaden, an dem die Preise als sie ein Tizian bekam, aber Tizian bezog

gegenwärtige Malerei leidet. Und damit natür- doch fürstliche Honorare, und Rubens und

lieh der Markt. van Dyck nicht minder. Daß unser Dürer

Aber gute Kunst wird gut bezahlt. Wir haben für seine Madonnenbilder blos 25 bis 30 Gulden
Beweise dafür. Wenn heute Einer etwas leistet, erhielt oder Rembrandt für seine „Nachtwache"
dann findet er zumeist seinen „Absatz", seinen blos 1600 Gulden und für eines seiner Selbst-
Markt. Daß manche Werke hierbei manchmal porträts nur 100 Gulden, das spricht sicher für
auch überzahlt werden — dies ist eben nicht die Tatsache, daß die Mäzene von heute den
bloß bei der alten Kunst der Fall scheint Meistern von heute weitaus menschlicher zu be-
mir ein Zeichen der Zeit, ein Zeichen des so- gegnen scheinen. Fragt doch unsere Meister, ob
genannten „Amerikanismus", der auf dem sie jemals für jene Schandhonorare arbeiten
Kunstmarkt eine für die Wertschätzung der Kunst würden, wie sie Dürer und Rembrandt erhalten
an sich zwar förderliche, im Grunde aber äußerst haben! Und daß selbst heute noch beste alte
schädliche Revolution hervorgerufen hat. Kunst unter ihrem Werte bewertet wird, davon

Dieser „Amerikanismus" ist eine uralte Wahr- zeugt eine unendliche Reihe von Preisen, die

heit. Denn diesen Begriff hat es immer gegeben. auf den großen Auktionen der letzten fünfzig

Von der Antike an bis auf unsere Tage. Immer Jahre „erreicht" worden sind. Zu der Zeit, da

nämlich haben wir Sammlertemperamente gehabt, Sedelmayer schon für zwei Gemälde des mo-

die über das Ziel (wenn auch nicht über ihre dernen Munkacsy (für den Christus vor Pilatus"

Mittel) hinausschössen, immer wieder gab es und den „Kalvarienberg") je eine halbe Million
 
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