Vermischtes.
Der Bund deutscher Architekten und der
Verein gegen das Bestechungswesen veranstalten
im Oktober ds. Js. eine Ansammlung von Ver-
tretern der am Baugewerbe interessierten Berufe
zur Besprechung des Sch m i erge 1 d er- U n wesens
im Baugewerbe. Insbesondere soll die Fest-
Stellung des Vereins gegen das Bestechungswesen
besprochen werden, daß?? 12 des Gesetzes gegen
den unlauteren Wettbewerb in seiner sinngemäßen
Anwendung auf die Verhältnisse im Baugewerbe
folgendermaßen auszulegen sei: „Der Architekt,
der als Bauanwalt vom Bauherrn angestellt und
bezahlt wird, darf Provisionen oder andere Vor-
teile vom Lieferanten weder annehmen, noch
fordern, noch sich versprechen lassen".
Auflösung der Leipziger Sezession. Im Jahre
[910 veranstaltete die Leipziger Sezession mit
ihrer Ausstellung die erste größere überhaupt
und gab damit die Anregung zu der Linrichtung
einer Leipziger jahresausstellung. Damit schuf
sich die Sezession ein großes Verdienst um das
Leben in der bildenden Kunst Leipzigs, wo trotz
des über 50 |ahre bestehenden Künstlervereins
bis dahin noch keine Ausstellung in diesem
Maße zusammengebracht wurde. Vor einiger
Zeit wandte sich die Leipziger Sezession an den
Rat der Stadt Leipzig mit dem Gesuche, das
verhältnismäßig geringe Defizit jener Ausstellung
zu übernehmen, erhielt aber eine iVbsage. Jetzt
haben die ungünstigen Finanz Verhältnisse der
Leipziger Sezession den Grund gegeben, ihre
Auflösung zu vollziehen.
Rodin über die Kunstkritik. Im Anschluß
an einen Aufsatz v< in Ricciotto Canudo über
die Kritik, ihren Wert und ihren Nutzen hat
sich jüngst eine Erörterung über diese uner-
schöpfliche Frage entsponnen. Dabei ist auch
Ri din um seine Meinung befragt worden und hat
sich in einem der Kunstkritik recht wohlwollenden
Sinne ausgesprochen: .,Die Kritik? Unser Zeit-
alter — so erklärte er ist ein Zeitalter der
Verwirrung, wir leben im Unbestimmten und
Ungefähren. Darum ist die Kritik nützlich.
Das Publikum kann von Kunstwerken, solchen
der Literatur wie der Malerei, der Bildhauerei
oder der Musik, nur verwi irrene und zu schnelle
Ideen haben. Die Kritik muß der Aufklärung
dienen. Schriftsteller und Richter dürfen darum,
um ihre Aufgabe recht zu erfüllen, nicht erfinden;
sie dürfen nur feststellen und dergleichen. Ich
bin gegen die Gründung einer Schule zur Vor-
bereitung künftiger Kritiker. Ein Kritiker wird
geboren. Nur sind die zu jugendlichen Kritiker
schädlich, denn zur natürlichen Befähigung muß
sich die Erfahrung gesellen." Rodin schloß mit
den Worten: „Der Kritiker hat eine sozusagen
götliche Rolle. Wissen, Verstehen und frei sein,
sind das nicht himmlische Wesen? Der Kritiker
ist ein Gott, der verstanden hat."
Swift als Prophet des Kubismus. Jonathan
Swift, der große englische Satiriker, hat, wie so
vieles, auch den Kubismus unserer modernen
Maler voihergesehen. In Gullivers Reisen be-
findet sich folgende Stelle, in der Gulliver seine
Erlebnisse in Laputa erzählt: „Bald führte man
mich in ein Zimmer, wo man mir zu essen gab.
Der erste Gang bestand aus einer Hammelkeule
in Form eines gleichseitigen Dreiecks, einem
Stück Rindfleisch in Form eines länglichen, ver-
schobenen Quadrats und einer Wurst, die aussah
wie eine Radlinie. Den zweiten Gang bildeten
zwei Enten, die zwei Geigen glichen, Leberwürste
in Form von Flöten und Hoboen und eine
Kalbsleber, die das Aussehen einer Harfe hatte.
Das Brot, das man uns servierte, hatte die
Gestalt von Kegeln, Zylindern und Parallelo-
grammen . . . Meine mathematischen Kenntnisse
halfen mir, die Redeweise der Laputaner und
ihre, meist auf die Mathematik bezüglichen
Umschreibungen zu verstehen. Alle ihre Gedanken
bewegten sich in Linien und Figuren, und selbst
ihre Galanterie war geometrisch. So nannten sie
die Zähne eines jungen Mädchens schöne
Parallelogramme, ihre Augenbraunen entzückende
Bogen usw. Der Sinus, die Tangente, die ge-
rade und die gebogene Linie, der Zylinder, das
Oval, die Parabel, der Radius und der Mittel-
punkt sind bei ihnen Ausdrücke, die sogar in
der Liebessprache vorkommen ... — Wäre es
da, fragt die „B. Z.", nicht nur gerecht, wenn
man den Kubismus geradezu in „Swiftismus"
umtaufte"-'
Briefkasten.
Dr. Kurl L. in Berlin. V*n nennen Ihnen
Dresslers Kunstjahrbuch, in dem Sie ein spezi-
fizierendes Verzeichnis der Museen Deutschlands
finden. — Ein Wilhelm Busch - Denkmal im Ge-
burtsort des Dichterzeichners, Wiedensahl, ist schon
seit längerer Zeit geplant. Die Sache scheint
aber ins Stocken geraten zu sein. Wir verweisen
Sie auf einen Aufruf zu Beiträgen, den Herr
Ludwig Lohmeyer im Hannov. Courier veröffent-
lichte; darin wird dringlich gemahnt, die folgenden
Verse der Bescheidung, die Busch einst schrieb,
nicht zur Wahrheit werden zu lassen:
Auch von mir wird man es lesen,
Er war da und ist gewesen,
Ach, und keine Träne fließt
Aus dem x\uge, das es liest.
Keiner wird, wenn ich begraben,
Unannehmlichkeiten haben;
Keine Seele wird geniert.
Weil man keinen Kummer spürt.
Dahingegen spricht man dann:
„Was geht dieser Mensch uns an?"
Alle Zuschriften sind zu richten an den Verlag Weise & Co., Berlin W. 62
- Druck: Krey und Sommerlad, Niedersedlitz-Dresden.
Der Bund deutscher Architekten und der
Verein gegen das Bestechungswesen veranstalten
im Oktober ds. Js. eine Ansammlung von Ver-
tretern der am Baugewerbe interessierten Berufe
zur Besprechung des Sch m i erge 1 d er- U n wesens
im Baugewerbe. Insbesondere soll die Fest-
Stellung des Vereins gegen das Bestechungswesen
besprochen werden, daß?? 12 des Gesetzes gegen
den unlauteren Wettbewerb in seiner sinngemäßen
Anwendung auf die Verhältnisse im Baugewerbe
folgendermaßen auszulegen sei: „Der Architekt,
der als Bauanwalt vom Bauherrn angestellt und
bezahlt wird, darf Provisionen oder andere Vor-
teile vom Lieferanten weder annehmen, noch
fordern, noch sich versprechen lassen".
Auflösung der Leipziger Sezession. Im Jahre
[910 veranstaltete die Leipziger Sezession mit
ihrer Ausstellung die erste größere überhaupt
und gab damit die Anregung zu der Linrichtung
einer Leipziger jahresausstellung. Damit schuf
sich die Sezession ein großes Verdienst um das
Leben in der bildenden Kunst Leipzigs, wo trotz
des über 50 |ahre bestehenden Künstlervereins
bis dahin noch keine Ausstellung in diesem
Maße zusammengebracht wurde. Vor einiger
Zeit wandte sich die Leipziger Sezession an den
Rat der Stadt Leipzig mit dem Gesuche, das
verhältnismäßig geringe Defizit jener Ausstellung
zu übernehmen, erhielt aber eine iVbsage. Jetzt
haben die ungünstigen Finanz Verhältnisse der
Leipziger Sezession den Grund gegeben, ihre
Auflösung zu vollziehen.
Rodin über die Kunstkritik. Im Anschluß
an einen Aufsatz v< in Ricciotto Canudo über
die Kritik, ihren Wert und ihren Nutzen hat
sich jüngst eine Erörterung über diese uner-
schöpfliche Frage entsponnen. Dabei ist auch
Ri din um seine Meinung befragt worden und hat
sich in einem der Kunstkritik recht wohlwollenden
Sinne ausgesprochen: .,Die Kritik? Unser Zeit-
alter — so erklärte er ist ein Zeitalter der
Verwirrung, wir leben im Unbestimmten und
Ungefähren. Darum ist die Kritik nützlich.
Das Publikum kann von Kunstwerken, solchen
der Literatur wie der Malerei, der Bildhauerei
oder der Musik, nur verwi irrene und zu schnelle
Ideen haben. Die Kritik muß der Aufklärung
dienen. Schriftsteller und Richter dürfen darum,
um ihre Aufgabe recht zu erfüllen, nicht erfinden;
sie dürfen nur feststellen und dergleichen. Ich
bin gegen die Gründung einer Schule zur Vor-
bereitung künftiger Kritiker. Ein Kritiker wird
geboren. Nur sind die zu jugendlichen Kritiker
schädlich, denn zur natürlichen Befähigung muß
sich die Erfahrung gesellen." Rodin schloß mit
den Worten: „Der Kritiker hat eine sozusagen
götliche Rolle. Wissen, Verstehen und frei sein,
sind das nicht himmlische Wesen? Der Kritiker
ist ein Gott, der verstanden hat."
Swift als Prophet des Kubismus. Jonathan
Swift, der große englische Satiriker, hat, wie so
vieles, auch den Kubismus unserer modernen
Maler voihergesehen. In Gullivers Reisen be-
findet sich folgende Stelle, in der Gulliver seine
Erlebnisse in Laputa erzählt: „Bald führte man
mich in ein Zimmer, wo man mir zu essen gab.
Der erste Gang bestand aus einer Hammelkeule
in Form eines gleichseitigen Dreiecks, einem
Stück Rindfleisch in Form eines länglichen, ver-
schobenen Quadrats und einer Wurst, die aussah
wie eine Radlinie. Den zweiten Gang bildeten
zwei Enten, die zwei Geigen glichen, Leberwürste
in Form von Flöten und Hoboen und eine
Kalbsleber, die das Aussehen einer Harfe hatte.
Das Brot, das man uns servierte, hatte die
Gestalt von Kegeln, Zylindern und Parallelo-
grammen . . . Meine mathematischen Kenntnisse
halfen mir, die Redeweise der Laputaner und
ihre, meist auf die Mathematik bezüglichen
Umschreibungen zu verstehen. Alle ihre Gedanken
bewegten sich in Linien und Figuren, und selbst
ihre Galanterie war geometrisch. So nannten sie
die Zähne eines jungen Mädchens schöne
Parallelogramme, ihre Augenbraunen entzückende
Bogen usw. Der Sinus, die Tangente, die ge-
rade und die gebogene Linie, der Zylinder, das
Oval, die Parabel, der Radius und der Mittel-
punkt sind bei ihnen Ausdrücke, die sogar in
der Liebessprache vorkommen ... — Wäre es
da, fragt die „B. Z.", nicht nur gerecht, wenn
man den Kubismus geradezu in „Swiftismus"
umtaufte"-'
Briefkasten.
Dr. Kurl L. in Berlin. V*n nennen Ihnen
Dresslers Kunstjahrbuch, in dem Sie ein spezi-
fizierendes Verzeichnis der Museen Deutschlands
finden. — Ein Wilhelm Busch - Denkmal im Ge-
burtsort des Dichterzeichners, Wiedensahl, ist schon
seit längerer Zeit geplant. Die Sache scheint
aber ins Stocken geraten zu sein. Wir verweisen
Sie auf einen Aufruf zu Beiträgen, den Herr
Ludwig Lohmeyer im Hannov. Courier veröffent-
lichte; darin wird dringlich gemahnt, die folgenden
Verse der Bescheidung, die Busch einst schrieb,
nicht zur Wahrheit werden zu lassen:
Auch von mir wird man es lesen,
Er war da und ist gewesen,
Ach, und keine Träne fließt
Aus dem x\uge, das es liest.
Keiner wird, wenn ich begraben,
Unannehmlichkeiten haben;
Keine Seele wird geniert.
Weil man keinen Kummer spürt.
Dahingegen spricht man dann:
„Was geht dieser Mensch uns an?"
Alle Zuschriften sind zu richten an den Verlag Weise & Co., Berlin W. 62
- Druck: Krey und Sommerlad, Niedersedlitz-Dresden.