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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI issue:
1./2. Märzheft
DOI article:
Justi, Ludwig: Slevogts Cladower Wandmalereien in der Nationalgalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0206
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eite blinkende Havelflächen, schattend grüner
* ^ Laubwald eines alten märkischen Gutes — eine
sanft ansteigende Wiese hinauf wallen farbig gekleidete
Gestalten, einem Naturtheater zu, da singen sie grie-
chische Chöre; und die Gäste dieses seltenen Schau-
spiels sitzen nachher an langen Tafeln unten nahe dem
Wasserspiegel vor einem traulich hingelagerten Gärt-
nerhaus inmitten funkelnder Blumenbeete, während die
sinkende Sonne alle Farben zu einem glänzenden Finale
steigert. Etwas weiter zurück liegt das schlicht-stolze
Herrenhaus, wo einst Bismarcks Mutter die Sommer-
wochen verlebte; Schultze-Naumburg hatte es mit
klangvoller Farbigkeit ausgestattet und eine Terrasse
in die Baumkühle hinaus gebaut. Da gab es Nachmit-
tage und Abende erlesener Geselligkeit, prächtige
Menschen aus dem geistig-schöpferischen Berlin wur-
den durch die liebenswiirdige Gastlichkeit und die feine
Geistigkeit des Hausherrn herangezogen. Konrad An-
sorge und Max Slevogt waren wohl die häufigsten und
liebsten Gäste unseres Johannes Guthmann, des Musik-
freundes, Kunstkenners und Dichters. Und wer länger
hier weilte, der konnte segeln, reiten, jagen, träumen —
wie er wollte. Slevogt hat vielleicht am meisten Ge-
brauch von diesem Paradies gemacht, und am frucht-
barsten, denn er mochte ftihlen wie sein künstlerisches
Wesen vom eindringlich liebenden Verstehen des Gast-
gebers getragen war; Zeugnis dafür ist Guthmanns
Buch iiber Slevogt „Scherz und Laune“, gewiß das
Graziöseste das in den letzten Jahren iiber Malerei ge-
schrieben ist, wie^eine zierliche Lautenbegleitung zu
improvisiertem Gesang.

Aus solchen Voraussetzungen 'ist ein Werk Sle-
vogts entstanden, das seines Gleichen nicht hat: die
Wandmalereien in einer Gartenhalle des Guthmann-
schen Landsitzes, Neu-Cladow.

Der freie Platz zwischen Herrenhaus und Havel,
wo jene Blumenbeete leuchteten, ist gegen die Wirt-
schaftsgebäude durch eine Mauer abgeschlossen, und
an deren Ende nacli dem Wasser hin hatte Schultze-
Naumburg die Reste einer abgebrannten Scheune zu
einer offenen Halle gewandelt: Mauerstücke des acht-
zehnten Jährhunderts ließ er als Seitenwände stehn,
zog eine Rlickwand und Kassettendecke ein, und in die
vordere Öffnung stellte er zwei Säulen. Als Slevogt
1911 gliickliche Sommertage in Cladow verlebte, wurde
dort allerlei getüncht, er sah den trefflichen Polier
Koschmieder Farben mischen und pinseln, und in froher
Stimmung begonnte er — der sonst so schwer zur
Übernahme eines Auftrages zu bringen ist — an die
farbige Aussclunückung der Gartenhalle heran zu gehen.

Gleich am ersten Nachmittag zauberte er auf die
Mittelwand ein wundersames Gedicht von Frauen-
körpern und leuchtenden Blumen; Koschmieder malte

Himmelsblau um die eben angedeuteten Umrisse, dann
ging Slevogt noch mit ein paar Pinselstrichen zeichnend
über die Gestalten hin, deren Farbe im Wesentlichen
der ursprüngliche Ton des Mauerputzes ist, also aus-
gespart gleichsam. Aber durch ganz leichte Farb-
überspielungen wirkt der Mörtel bei jedem dieser Frau-
enkörper verschieden. Zwei schmalere Flächen rechts
und links vom Mittelstück; der warmgelbliche Ton der
Wand, durch den sich die Ziegelfugen unregelmäßig
malerisch hindurch zogen, gefiel dem Meister so gut,
daß er ihn hier ganz stehen ließ und nur mit leichtester
Hand liegende, reitende Gestalten hinein spielte, Men-
schen, Blumen, Affen, Vögel, eine Art Steinbock als
Reittier, nichts als tanzende Umrisse und ein paar hin-
gesprühte Farbflecken, Variationen gleichsam über die
Ziegelfugen. Es ist unendlich reizvoll zu sehen, wie
dieser schwebende Schmuck aus den Zufälligkeiten der
Mauer entwickelt ist, auf daß erfüllet werde was bei
Lionardo geschrieben steht. Pilaster dazwischen: sie
wurden mit einem dunkleren Ton gedeckt, grünlich;
kostbare Gläser fielen ihm ein, die sein Auge im Hause
beschäftigt hatten, zarte Form und huschende Lichter
— da blitzten sie auf den grünen Flächen, und alsobäld
tanzten um die schlanken Stengel nackte Mädchen,
Glaselfen möchte man sagen, durchsichtig-beweglich-
zerbrechlich, blaue und weiße Farbkleckschen. Breite
Kränze darüber, geschlossenes Grün, kobaltblaue und
grüne Vögel tragend, ebenfalls starke geschlossene
Farbflächen.

Diese Hauptwand: in der Mitte auf dem Himmels-
blau das mozartisch jubelnde Ornament der schaukeln-
den gaukelnden Körper und klingenden schwingenden
Blumen, das feine Gelb des Mauerputzes zersprengt
ausgespart, auf den Seitenflächen als Grund stehen ge-
blieben, überstreichelt von zarten Linienspielen; da-
zwischen die dunkleren Pilaster mit den vollen Kränzen
und dem gläsernen Getriller — das ist ein Rhythmus
der Linien und der Farben und der malerischen Einfälle
sondergleichen.

Aber es gab für den Meister keine Regel: an den
beiden Seitenmauern verfuhr er ganz abweichend, so-
gar gegen a'lle Vorschrift der höheren Wandmalerei.
Wieder das helle Blau, doch diesmal als wirkliche Luft,
der Putzton als Wolken. Und um gegen die Zartheit der
Rückwand feste Rahmung zu geben, durchbricht er die
Fläche, Säulen tragen ein goldgelbes Bretterdach, und
auf allerlei Sockeln stehen nackte Figuren, von anderem
Maßstab als dort, beinahe lebensgroß, stark bewegt, gar
nicht flächig, vielmehr höchst plastisch; Slevogt hätte
sie sogar gern wirklich modelliert gesehen, vor allem
die erste, jüngste, die Luft, sie federt in einer eben noch
angehaltenen tänzerischen Bewegung, auf den Zehen-
spitzen, hält sich die Flügelenden mit den Händen fest

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