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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 21,2.1908

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Heft 10 (2. Februarheft 1908)
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Avenarius, Ferdinand: Schacher im Tempel
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https://doi.org/10.11588/diglit.7705#0264
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getan. Wenn sich unser Volk statt an den Genannten Iahr auf Iahr
an der Marlitt, der Werner, der Heimburg, au Gregor Samarow,
an Paul Lindau, Iulius Wolff und Georg Ebers begeistert und an
ihnen — genährt hat, so verdanken wir das nicht zum geringsten
Teile dem üblichen „Weihnachtskatalog" als dem Vermittler unsrer
geistigen Nahrung zur Zeit des „Hauptmarkts" in diesem „Artikel".
Und nach entsprechenden Grundsätzen ward auch die Nachfrage nach
wissenschaftlichen und künstlerischen Publikationen „geregelt". Soweit
sie für „Geschenkzwecke" in Frage kamen, natürlich, denn über Geschenk--
zwecke hinaus dachte und strebte ja überhaupt kein Weihnachtskatalog.

So lagen die Dinge, als ich zum erstenmal den Versuch zu prak-
tischer Hilfe durch eine bescheidene erste „Weihnachtsliste" des Kunst--
warts machte. Dann erschien als erstes derartiges Nnternehmen im
deutschen Buchhandel überhaupt der „Literarische Ratgeber, heraus-
gegeben vom Kunstwart". Die neuen Grundsätze ergaben sich aus
der Sache völlig von selber: unbedingtes Fernhalten jeden Einflusses
vom Anzeigenteile her, Heranziehung nicht nur der „Novitäten",
sondern der gesamten alten und neuen Literatur, soweit sie noch
„lebte", und statt der Zufallsrezensionen über die einzelnen „Ein-
gänge" zusammenfassende Äberblicke, welche die Stellung des Ein-
zelnen im Ganzen zeigten. Wie stark nicht nur, sondsrn auch wie
bewußt bereits das Bedürfnis nach solch einem Unternehmen war, das
zeigts der Erfolg: unser Ratgeber wurde in -sO OOO Exemplaren nicht
verschenkt, sondern verkauft, und sein Einfluß aus den Büchermarkt
wurde so deutlich bemerkbar, daß in Fachblättern überrascht davon ge-
sprochen wurde und daß einer unsrer größten Verleger scherzend schrieb,
er brächte selbst die Lltesten Ladenhüter an den Mann. Gerade der
Erfolg legte mir den Gedanken nahe, ob ich diese Arbeit nicht andern
überlassen dürfte. Die Besorgnis, wir „monopolisierten" alles, tauchte
auf. Ich wurde von so und so viel Leuten zum „Literaturpapst" oder
zum „krasesptor Osrnmnias" gekrönt, und wsnn das auch Gegner
sagten, so mußte ich doch zugeben, daß die Vereinigung zu vieler
Ämter in einer Hand, zu vieler „Herausgeberschaft" ineinem Menschen-
kopf nur zum Notbehelf gut sei. Die Arbeiten an Kunstwart, §kunst-
Wart-Nnternehmungen und Dürerbund hatten sich zudem uachgerade
wirklich so „berghoch" gehäuft, daß ich für jede Entlastung dankbar
wurde. So war mir's eine Freude, daß andre Männer in unsre Bahn
traten, und ich gab das alljährliche Erscheinen unsres Ratgebers auf;
er sollte von seinem siebenten Iahrgange ab nur noch nach größeren
Zwischenzeiten kommen. Die folgenden Iahre brachten auch andere
Ratgeber, die's ernsthaft nahmen und sich fortsetzten, zur letzten Weih-
nacht gab es z. B. die wirklich zweckmäßigen Bücherlisten des „Goldenen
Schnitts", dann den Salzerschen Ratgeber, sowie den katholischen, der
diesmal wohl der beste von allen war, und jeder von ihnen wirkte
gut. Daß daneben auch Weihnachtskataloge von der alten Art weiter
erschienen, konnte man hinnehmen; in der Durchführung waren immer-
hin auch sie ein wenig besser als die früheren, als Geschäftskataloge
konnte sie jeder an dem Verhältnis ihres sparsamen Tertes zu ihrer
gewaltigen Inseratenpracht erkennen, sie gaben sich kaum als anderes,
als sie waren. Und vor allem: sie wirkten ja nicht mehr allein.

2j0 Kunstwart XXI, sO
 
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