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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,4.1910

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Heft 19 (1. Juliheft 1910)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9020#0057
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des elemerrtarsten Menschlichen mit
der elementaren Natur, aus der
seine Stärke entsprungen ist.

Die alte Talbürgeler Kirche ist
innen jünger als außen. Aber
innen ist sie ganz restauriert. Zu-
nächst ist sie in eine protestau-
tische Kirche umgewandelt worden.
Und zwar bis zu dem Grade,
daß man eine neuromanische Kanzel

hineingeseht hat. Man ist ja
dezent, man sucht ja Anschluß,
man sucht die feinere Brutalität,
man ist wenigstens im Adjektivum
fein. Es gibt in dieser Kirche
einige Wände, die wie Zement
wirken. Dennoch kann man sich
durch einiges Kratzen überzeugen,
daß sie guter Sandstein sind, so-
gar aus der Gegend soll er sein.
Es ist also noch die Art, wie
Schinkel zum Beispiel das Innere


der prachtvollen Backsteinkirche in
Frankfurt an der Oder in eine
einzige weißgetünchte Leiche ver-
wandelt hat. Aber vielleicht fühlte
das der Nestanrator. Oder aus
welchem Gefühle hat er — Fugen
wie mit Bleistift über der Tünche
gezogen? Er hat über der Orgel
(einem fürchterlichen Stück von
modernem Holz) eine große Ro-

sette in unterschiedlichen Farben
gemalt. — Am wesentlichsten aber
ist dies: der Raum selbst ist durch
das Herausreißen des einsn Teiles
aus dem Komplex — selbst wenn
dieser Teil gut restauriert worden
wäre — für das Gefühl zerstört, be-
engt, unfrei gemacht. Frei wird
einem erst wieder, wenn man aus
dem Restaurierten heraus und un-
ter den mächtigen noch stehenden
Bogen, zwischen die Fundament-

Kunstwart XXIII, (9

Zeichnung von Wilhelm Roegge aus dem
Bande „Baterland" des ,Deutjchen SpielmannS".
Verlag von Georg D. W. Callwey in München
 
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