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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,4.1910

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Heft 19 (1. Juliheft 1910)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9020#0059
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stand kaufte die neue Art, die
obere Schicht die ganz alte. Bis
in Form und Farbe ging die van
de Veldesche „Veredelnng". Künst-
liche eckige, nach oben abbrechende
Bäuche und sehr weiter Hals, je
ein spitzer Winkel als Henkel —
die Farben unsanber zwischen
grün, gelb und braun, das Ganze
mit Farbe überzogen und dann —
man möchte sagen: mit schmutzigen
Fingern hineingewischt und da-

als hätten sie überhaupt kein Ge-
wicht oder als zwänge sie ein
eigener Rhythmus. Und so auf
der Drehscheibe. Mit der Hand
auch, ohne Schablone. Mit dem
Fuß die Scheibe bewegend, lang-
samer oder rascher, wie es der
Augenblick forderte. And der Ton
auf der Scheibe, bald hoch herauf-
gezogen, bald breit auseinander-
fließend, sehr schnell von einer
Form in die andre übergehend,

Zeichnung von Wilhelm Roegge aus dem
Bande „Daterland" des„Deutschen Spielmanns".
Verlag von Georg D. W. Eallwey in München

durch unkräftig und grnndfalsch
zu dem Material aufgehellt, strei-
fig, nebelig, tupfig, Pfuschig. —
Von da aus dann weiter, oder
auch in anderer Nichtung weiter:
bis zur gemeinsten Gutenstuben-
Majolika-Art. In der Werkstatt
saßen zwei Männer, der Meister
unü ein Geselle, denen doch der
Ton in der Hand lebte. Die Frau
tupfte die Farben sehr geläufig,
aber sehr wesenlos. Die beiden
aber kneteten die großen Lon-
massen und warfen sie so leicht
aus einer Hand in die andre,

und endlich, durch so viele und
auch so viel schöne flüchtig ver-
gehende hindurch bis in die letzte.
Es war noch jemand in dem
Maume, eine in Paris noch nicht
ausstudierte Künstlerin, die sicher-
lich bei dem Bürgeler Töpfer noch
das ganz Primitive lernen wollte.
Sie hielt den Ton mit einer Ge-
lerntheit, die nicht einmal mehr
zag zufaßte, sondern die seelenlose
Bewältigung war. Hielt ihn mit
Händen, die mir gar keine HLnde
mehr schienen, sondern Handschuhe
aus richtig funktionierendem Fleisch.

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