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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 5.1929

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Ginthum, Paul: Drei Pfälzer Tage
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https://doi.org/10.11588/diglit.41982#0092

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wallenden Kamm des Odenwaldes ist umdunstet; das geistige Auge weiß alle
Schönheiten, früher im flammenden Licht gesehen, zu erspähen und sie schöner
und wirklicher noch zu träumen. Der langgestreckte Rücken der Haardt bleibt
zur Linken, die Dörfer an ihrem Fuße scheinen wie in die Falten ihres purpur-
farbenen Mantels geschmiegt. Auf der Höhe der Drei Steine ist die Sicht
freier. Die Augen stürzen die wohlige Woge der Hügel entlang, hin über den
gedämpften Azur bis zum wolkigen Hambacher Schloß, fangen sich und
schweifen abwärts über die im Nebeldampf versunkene Insel der Ebene, aus
der die Tupfen von Häusern, die dunklen Kämme der Bäume und die feier-
lichen Kirchtürme ragen.


Böchingen ist ganz von dem gelben Meer der Weinberge umschlungen.
Die rötliche Straße läuft breit und ruhig durch die Wingerte, an Obstbäumen
vorbei, von denen Blatt um Blatt wie große rote Tropfen niederrieseln.
Schieferfarben streckt sich der runzlige, knorrige Wald der Rebstöcke über den
hie und da schon aufgepflügten Boden. Die Scholle strotzt von Fett und wirft
herbe Düfte in die Luft.
Da steht der uralte Zwiebelturm der Kirche von Burrweiler, Hüter der
alten schönen Häuser, die sich breit geduckt um ihn scharen. Eine Welle ocker-
gelben Weinlaubs brandet hinter ihm hoch, steht oben am Berge still gegen
die blaue Luft und trägt die zierliche Spitzenkrone der St. Annakapelle.
Nicht links, nicht rechts habe ich gesehen auf der einsamen Landstraße —
jetzt fahre ich herum, die Köstlichkeit des Rebenmeeres mit einem Blicke ein-
zuheimsen.
Weinwagen holpern vorbei. Der Gruß der Winzer ist gut und tröstlich
wie die Stimme dieses Landes, die an Sonntagen tief und schmerzstillend mit
ihren Kindern spricht.

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