„Daß die Einfachheit nicht überschritten werde", schreibt Joseph am 21. No-
vember 1844 an seine Eltern in Karlsruhe, „dafür sorgt unsere Heidelberger
Kostfrau ganz sürtresflich: wir lassen zu fünf Personen vier Portionen L 20 kr.
holen: macht also täglich ein Diner für 16 kr., wobei freilich oft die Kartoffeln
das Beste sind. Dazu wird klares Brunnwasser getrunken, wobei auch keine
Exzesse möglich sind. Hie und da wird abends ein Thee
getrunken und etwas goutiert, das macht auch nicht
viel aus."
Obwohl Graf Reichenbach und von Kleudgen ihren
Freund für das Korps Suevia zu gewinnen trachteten,
wo Scheffel in den ersten Wochen seines Heidelberger
Aufenthaltes häufiger Gast war, konnte sich letzterer
trotz der Dedikation eines „Münchner Humpens", die
er den Schwaben bereits gemacht hatte, nicht entschlie-
ßen, einzuspringen. Denn allzuwenig glaubte er in
diesem politisch ziemlich neutralen Kreise, dem Kneipe
und Paukboden die Hauptsache studentischen Lebens be-
deuteten. von dem Pendelschwung der Zeit und ihrer
Erfordernisse zu verspüren, als daß er den Eintritt vor
seinem eigenen Gewissen hätte verantworten können.
„Das Semester, in welchem ich hier meine ersten
Rollen spiele", gesteht er damals seinem Münchner
Studiengenossen Friedrich Eggers, „ist ein zu vielfach
bewegtes und interessantes, als daß ich mich von den
allgemeinen Bewegungen hätte zurückziehen wollen. Die
schon längst entstandene und vermehrte Gährung gegen
die Korps und ihre veralteten, zum Teil geisttötenden
Formen, die auf die Länge hin nie fesseln können (Du
kennst ja all dies aus Deinen Leipziger Erfahrungen),
ist endlich zum Ausbruch gekommen."
Kein Wunder, wenn nun Scheffel, im Vergleich
beider Richtungen, inniger durch die seinen Idealen
mehr zuvorkommenden Gedanken der Opposition ge-
fesselt wurde. Ihren drei Grundsorderungen strenger,
charakterbildender Manneszucht, vaterländischer Ge-
sinnung und einer regen, diskussionsfreudigen Beschäf-
tigung mit allen Fragen der Gegenwart vermochte
Iosephs innerste Aeberzeugung lebhafteste Bejahung
zuteil werden zu lassen. „Eine Mehrzahl Anders-
^on^üumer^ denkender", so fährt der Schreiber in dem bereits er-
wähnten Briese an Eggers fort, „hat sich zusammen-
getan, um vereint eine Opposition gegen das frühere Wesen zu bilden und die
neueren Tendenzen ins Leben einzusühren: — und diese Idee hat mir gleich
von Anfang an sich so schön und praktisch ausführbar geschienen, daß ich als-
bald von der Schwabenverbindung weg mich auf die Seite der neuen Bestre-
bungen schlug: — und so steige ich itzt als wackerer „Alemanne" in Heidelberg
herum. Das Leben in der Verbindung ist ein sehr reges und durch gute
Motive zusammengehaltenes."
Scheffel
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