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Lehrs, Max [Hrsg.]
Geschichte und kritischer Katalog des deutschen, niederländischen und französischen Kupferstichs im XV. Jahrhundert (Band 4, Textbd.): [Die Anonymen, 2] — Wien, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.34185#0215
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DER MEISTER DES HEILIGEN DIONYS

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Blätter: Ecce homo und Beweinung der oben erwähnten großen Passion,
die von Israhel van Meckenem retuschiert wurden und die, was auch
Geisberg jetzt zugibt, nicht mehr als Arbeiten des Dionys-Meisters
angesprochen werden können.
Unser Stecher ist leicht erkennbar an der Magerkeit und Eckigkeit
seiner Zeichnung. Er bevorzugt knochige, ßeischlose Köpfe mit dünnen,
gelockten Haarsträhnen und eckig konturierten Ohren. Die verhältnis-
mäßig großen Pupillen stehen glotzend in den Augenwinkeln, und zwei
vertikale, von der Nasenwurzel aufsteigende Falten geben den Gesichtern
einen bekümmerten Ausdruck. Die Gestalten haben etwas Statuarisches,
und die Gewänder, zum Teil wie beim Paulus, von übertriebenem Stoff-
reichtum, falien in kleinlichen Knickfalten zurErde. Sehr charakteristisch
ist die Markierung der Falten, die nicht in rundliche Ösen, sondern in
rechtwinklige Haken endigen, mitunter auch blitzartig gezackte Linien
bilden. Nimben kommen auf keinem seiner Blätter vor, und der Fuß-
boden ist, außer bei dem Crucihxus (Nr. 1) fiach und glatt. Hier biidet
eine dürftige Landschaft den Hintergrund mit unmöglichen, blechernen
Felsformationen und paraliel schrafherten Hügeln. Der mit Steinen
bestreute Boden trägt einige konventionelle Bäume und eine einzelne
Blattpflanze. Die Anwendung von Schlagschatten wie beim heiiigen
Dionys (Nr. 4) deutet auf eine relativ späte Entstehungszeit. Er und der
Paulus (Nr. 2) scheinen nach der etwas entwickelteren Zeichnung erst
nach dem Dreiheiligenblatt (Nr. 3) gestochen zu sein, doch fällt beim
Paulus die ungeschickte perspektivische Aufsicht des Thronpfostens
auf, der dem Stecher ganz mißglückt ist. Den Einfluß Schongauers
erkennt man nur in dem anscheinend frühesten und jedenfalls
schwächsten Blatt mit dem Gekreuzigten, auf dem drei Frauengestalten
mehr oder minder frei dem Stich B. 17 aus der Passionsfolge ent-
lehnt sind.
Die technische Behandlung ist von einer glasigen Härte. AHe Schraf-
herungen zeigen eine gleichmäßige Zartheit, die auch in den tiefsten
Schatten nicht merkiich aufgegeben wird und die stärkere Schwarz-
Weiß-Wirkungen ausschließt. Die Stiche erinnern dadurch ein wenig
an Malerradierungen, was auch Passavant beim heiligen Dionys aufßel.
Die Druckfarbe ist silbergrau oder schwarz.
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IV
 
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