spricht es sich aus, daß es eine plastische Kultur ist, die beginnen will.
Das Megaron, mit seinen einfachen oder doppelten, in der Achse vorgelager-
ten Vorhallen, mit seiner symmetrischen, in Pfeiler und Säulen aufgelösten
Front ist ein Baukörper, wie ihn derart isoliert der kretische Palast nicht
kennt. Und dieses Denken in isolierten Baukörpern ist hier kein Zufall.
Nicht nur die Megara wiederholen sich innerhalb der Burg mehrere Male,
auch ein Torbau erscheint des öfteren. Parthenon und Propyläen — beide
sind in Tiryns in ihrer körperhaften Isoliertheit vorgebildet (Abb. 231).
Wer das hier Herausgehobene als Wesentliches der mykenischen Bauten
anerkennt, wer die Tendenz zur Strenge auch in ihrer Malerei erfaßt hat,
der wird die nun folgende Entwicklung der Dinge in Tiryns und Mykene
nicht mehr nur als „Verfall“ werten. Denn, obwohl es auch wahr ist, daß
die Technik der Vasenmalerei immer mehr verroht, die naturalistischen For-
men immer steifer und eckiger sind, die plastische Tätigkeit vollständig
versiegt und auch die Überreste von Bauten spärlich werden, — so ist diese
ganze Entwicklung mit derjenigen, die vom späten Rom zu Byzanz über-
führt, vollständig analog und steht unter der Herrschaft einer sehr aus-
drücklichen Tendenz zum Abstrakten. Sie führt zu dem sogenannten geo-
metrischen Stil in der Bemalung der Vasen (Abb. 235), ganz ähnlich wie
die Entwicklung der ersten christlichen Jahrhunderte über byzantinische
Steifheit (Abb. 233) zum abstrakt-dekorativen Stil Ravennas und der Lango-
barden führt (Abb. 236). Genau wie zur Zeit der Byzantiner und Langobarden,
wird es auch damals Gebäude gegeben haben, die eine Entwicklung des neuen
Baustils darstellen — sie sind spurlos verschwunden, denn sie waren aus
Holz. Daß sie da waren, bezeugen nicht nur so manche, auf Holzkonstruk-
tion deutende Formen des dorischen Stils, sondern noch mehr die über-
raschende Vollendung, die bereits die ältesten dorischen Bauten aufweisen.
Unabhängig hievon aber zeigen die geometrisch dekorierten Vasen deut-
liche Ansätze zum späteren ornamentalen System der Griechen (Mäander,
Abb. 237) und weisen noch sehr steife, immerhin aber figürliche Darstel-
lungen auf den Vasen (die kretische Kunst dekorierte lediglich mit Pflanzen
und Tieren) darauf hin, daß es eine plastische Kultur ist, die hier kreißt —
genau so, wie es anderthalb Jahrtausende später aus den tief gebohrten
Schatten byzantinischer Ornamentik deutlich wird, daß dort eine malerische
Kultur in Entfaltung ist.
Es dürfte mithin als erwiesen gelten, daß die Entwicklung von Ägypten
bis zum heutigen Tag ein Kontinuum darstellt, und daß die Mulden zwischen
der architektonischen und der plastischen Kultur einerseits, zwischen der
plastischen und der malerischen Kultur andererseits tiefgehende Ähnlich-
keiten aufweisen. Beidemal folgt auf das impressionistisch-malerische Ende
der vorangehenden Kultur eine abstrakt-unplastische, musikalische Tendenz,
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Das Megaron, mit seinen einfachen oder doppelten, in der Achse vorgelager-
ten Vorhallen, mit seiner symmetrischen, in Pfeiler und Säulen aufgelösten
Front ist ein Baukörper, wie ihn derart isoliert der kretische Palast nicht
kennt. Und dieses Denken in isolierten Baukörpern ist hier kein Zufall.
Nicht nur die Megara wiederholen sich innerhalb der Burg mehrere Male,
auch ein Torbau erscheint des öfteren. Parthenon und Propyläen — beide
sind in Tiryns in ihrer körperhaften Isoliertheit vorgebildet (Abb. 231).
Wer das hier Herausgehobene als Wesentliches der mykenischen Bauten
anerkennt, wer die Tendenz zur Strenge auch in ihrer Malerei erfaßt hat,
der wird die nun folgende Entwicklung der Dinge in Tiryns und Mykene
nicht mehr nur als „Verfall“ werten. Denn, obwohl es auch wahr ist, daß
die Technik der Vasenmalerei immer mehr verroht, die naturalistischen For-
men immer steifer und eckiger sind, die plastische Tätigkeit vollständig
versiegt und auch die Überreste von Bauten spärlich werden, — so ist diese
ganze Entwicklung mit derjenigen, die vom späten Rom zu Byzanz über-
führt, vollständig analog und steht unter der Herrschaft einer sehr aus-
drücklichen Tendenz zum Abstrakten. Sie führt zu dem sogenannten geo-
metrischen Stil in der Bemalung der Vasen (Abb. 235), ganz ähnlich wie
die Entwicklung der ersten christlichen Jahrhunderte über byzantinische
Steifheit (Abb. 233) zum abstrakt-dekorativen Stil Ravennas und der Lango-
barden führt (Abb. 236). Genau wie zur Zeit der Byzantiner und Langobarden,
wird es auch damals Gebäude gegeben haben, die eine Entwicklung des neuen
Baustils darstellen — sie sind spurlos verschwunden, denn sie waren aus
Holz. Daß sie da waren, bezeugen nicht nur so manche, auf Holzkonstruk-
tion deutende Formen des dorischen Stils, sondern noch mehr die über-
raschende Vollendung, die bereits die ältesten dorischen Bauten aufweisen.
Unabhängig hievon aber zeigen die geometrisch dekorierten Vasen deut-
liche Ansätze zum späteren ornamentalen System der Griechen (Mäander,
Abb. 237) und weisen noch sehr steife, immerhin aber figürliche Darstel-
lungen auf den Vasen (die kretische Kunst dekorierte lediglich mit Pflanzen
und Tieren) darauf hin, daß es eine plastische Kultur ist, die hier kreißt —
genau so, wie es anderthalb Jahrtausende später aus den tief gebohrten
Schatten byzantinischer Ornamentik deutlich wird, daß dort eine malerische
Kultur in Entfaltung ist.
Es dürfte mithin als erwiesen gelten, daß die Entwicklung von Ägypten
bis zum heutigen Tag ein Kontinuum darstellt, und daß die Mulden zwischen
der architektonischen und der plastischen Kultur einerseits, zwischen der
plastischen und der malerischen Kultur andererseits tiefgehende Ähnlich-
keiten aufweisen. Beidemal folgt auf das impressionistisch-malerische Ende
der vorangehenden Kultur eine abstrakt-unplastische, musikalische Tendenz,
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