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Deutschland <Deutsches Reich> / Reichs-Limeskommission [Hrsg.]
Limesblatt: Mitteilungen der Streckenkommissare bei der Reichslimeskommission — 5.1897

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Nr. 22 (10. März 1897)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8932#0024
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L 1$1U

— 615 —

türme, 4 Ecktürme und dazwischen 8 Mauer-
türme, im Ganzen also 20 Türme, welche
durch eine 1,1 m dicke Wallmauer mit-
einander verbunden sind.

Direkt vor der Wallmauer liegt ringsum
eine 1 m breite Berme, und vor dieser
liegen 3 durch 2 spitze Erdrippen getrennte
Spitzgraben, wahrend vor den 4 Thoren
selbst ein Fahrdamm über letztere führte.

Fast in der Mitte des Kastells liegt
das Prätorium, ein Viereck von 40,8 m
Breite und .34,(1 m Tiefe, dessen ganzer
Rückseite entlang die sog. Exerzierhalle
liegt, durch welche die die beiden Flanken-
thore verbindende Lagerstrasse führt, und
im Atrium wurde ein 6,5 m tiefer Brunnen
ausgeräumt.

Zu beiden Seiten dos Prätoriums liegen
noch sehr ausgedehnte Gebäulkhkeiten mit
12 Heizeinrichtungen (Hypokausten), deren
Pfeilerchen zum Teil noch bis 0,60 m hoch
erhalten sind.

Im Lagerraum vor und hinter dem Prä-
torium wurden viele allseits scharf abge-
grenzte, viereckige Estriche von 3—4 m
Seitenlange gefunden, deren mehrere mit
grossen Dachziegeln belegte Feuerstellen
zeigten, während 2 andere ganz eigentüm-
liche, leyerförmige Heizanlagen haben. Die
dabei gefundenen massigen Beste von Lehm-
Stacken bekunden, dass wir es hier mit
Estrichen von Barackenbauten zu thun
haben. Die Pfeilerchen eines solchen Hypo-
kaustums waren durch Aufeinanderlegen
auffallend breiter Heiztnben aufgebaut.

Die beiden Flaukenmauern des Kastells
sind je 17lJ,5 m lang, die Front- und Bück-
seite dagegen nur 174,5 m. Von den 4
Thoren führt je eine Strasse zum Prä-
torium, wie auch im Kastell selbst dem
einstigen Erdwalle entlaug ringsum eine
solche liegt.

Alle Gebäude und Türme trugen einst
Steinbedachung.

Das sehr gut gemürtelte Mauerwerk

— 616 —

ist noch 20 bis 200 cm hoch erhalten, zu
dem das Material aus dem nahen Franken-
Jura geholt wurde.

Die Ausbeute von Funden ist sehr gross.
Ausser reich verzierten Gefässscherben,
z. T. mit Tüpferstempeln, Thorbeschläg,
Wurfspiess- und Lanzenspitzen, Schlössern,
Schlüsseln, Messern und sonstigen Geräten
wurden über 100 Silber- und Bronzemün-
zen, aus den Jahren 100 vor bis 342 nach
Chr., gefunden. Der wertvollste Fund ist ein
prächtiges in Bronze getriebenes Masken-
helm-Bruchstück ; ferner sonstige Bronze-
Zierbleche und Geräte, mehrere vergoldete
Bronze-Buchstaben, Fibeln, Ringe etc., so-
wie ein kleines Silber-Täfelchen mit punk-
tierter Widmung, endlich ein Flachziegel
mit dem Stempel „Ala Auriana"; hierher
gehört auch das 1887 beim Eisenbahnbau
gefundene berühmte Militärdiplom des Rei-
ters Magetissa der Ala prima Hispanorum
Auriana vom 21). Juni 107 nach Chr., und
das 1841 im Friedhofe gefundene Bronze-
Helm-Visier.

Schon länger bekannt sind 3 grosse
Altar-Bruchstücke, dem Jupiter, der For-
tuna, dem Mars geweiht, während eine
Ära der Coli. IX Batavorum milliaria erst
181)2, in hiesiger Kirche eingemauert, wie-
der aufgefunden wurde.

Dem 1 km entferten Dorfe Emmozheim
entstammt eine weitere Ära und ein grosses
Götzenbild, während im 5 km entfernten
Dorfe Schambach in einer röm. Villa 3
vollständig erhaltene, prächtige, reich ver-
zierte Terra sigillata-Gefässe ausgegraben
wurden.

All diese Funde, sowie eine vom Kastell
Gnotzheim stammende Goldmünze (Aureus)
des Kaisers Trajan, sind in der Sammlung
des hiesigen Altertumsvereins im Progym-
nasiumsueubau feuersicher und wohl ge-
ordnet zur Besichtigung aufgestellt.
Weisseuburg a. S., 22. Januar 1897.

Apothekeubesitzor W. Kohl.

Limesblatt.

Verantwortliche Redakteure F. Hettner und 0. von Sarwey.
 
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