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Warschau, Garten in Soiec, Projekt der künstiichen Ruine und der Hoizmühie, S.G. Zug, um 1772

Einen deutüchen Hauch der neuen Strömungen können wir in den gieichen Jahren im
Schaffen des Warschauer Architekten Ephraim Schröger in dem um die JaTireswende
1761/1762 geschaffenen Projekt der Fassade der Karmeliterkirche in der Krakauer
Vorstadt in Warschau beobachten. Dieses Werk ist eine interessante individuelle Schöp-
fung, in der auf originelle Weise barocke und klassizistische Elemente vereint wurden. Wie
man auch aufgrund anderer Werke Schrögers annehmen kann, benutzte er verschiedene
mit Stichen versehene französische Pubükationcn, u.a. die Archifecfure Franpafse J.F.
Blondels und das Recueff d'arcüitecfure J. F. Neufforges. In der Fassade der Karmeliter-
kirche können wir auch Anklänge an den Gabriel-Stil der Paläste auf die Ptace de ta
Cortcorde in Paris wiederfinden; insgesamt ist sie jedoch ein schöpfcrisches, bedcutcndes
Werk und sicherlich das interessanteste Beispiel für die Herausbildung des klassizistischen
Stils zu Beginn der Aufklärung in Polen.
1761 begann Schröger den Wiederaufbau des Doms zu Gniezno nach einem großen
Brand. Man nahm die Verputzung der Fassadc und der 1 ürme, die „Reformierung" der
Simse und die schönste Verzierung von Fassadc und Türmen ,,nach dem Geschmack des
jetzigen Jahrhunderts" vor. 1m Jahr 1766 wurde der Bau des von Schröger projcktierten
Hochaltars mit einer marmorierten, deutüch klassizistischen Säulenarchitektur abge-
schtossen. Noch eincm dritten Bau gab Schröger in den frühen 60er Jahren klassizismus-
ähntiche Eigenschaften - dem Patast in Skierniewice, der 1761 bis 1765 aut Anweisung
des Primas Eubienski umgebaut wurde.
Die hier erwähnten Projekte von Coustou und Schröger beweisen, daß es falsch ist, die
Anfänge des Klassizismus in Polen mit derThronbesteigungStanislaw AugustPoniatows-
kis in Zusammenhang zu bringen, wie das manchma! geschah, obgleich dessen Bedeutung
bei der Herausbildung der klassizistischen Kunst in Polen sehr groß war.
Das alles, was in den Jahren 1760 bis 17S0 Äußcrungen dcs neuen Geschmacks in der
Kunst verrät, die über eine neuc Etappe dcr kiinstlerischen Entwicklung entscheiden und
vom Interesse an dcn ncuen Ansichten zeugcn sowie im Rahmcn des königlichen.
lürstlichen, adügen, städtischen und kirchüchcn Mäzenatentum cntsteht, mußzur künstle-
rischen Kultur der Aufklärung in Polen gezählt werdcn. Wenn die künstlerischen
Äußerungen jcncr Zcit abcr Anzeichen von Einflüssen der Antike, Palladios oder
klassizierender Strömungen der Renaissance bzw. des 17. oder l&Jahrhundertszeigen,
muß man sie als friihklassizistische Kunst bczcichncn. Dicse Strömungen der Kunst der
Aufklärung bestehen ungefähr in den Jahren 1760 bis 17S0.
Intercsse fiir dic antike Kunst und kiinstlerische Kultur, das ein so wichtiges Elemcnt im
Herausbildungsprozcßder klassizistischen Strömungen indercuropäischen Kunstseitder
Mitte des 1S. Jahrhunderts war, tritt in Polen dcutlich ungefähr um das Jahr 1760 auf.
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