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Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart — Leipzig, 1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.29616#0171

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Anhang. Georgische und Armenische Baukunst.

157

ANHANG.

Die Georgische und Armenische Baukunst.

Die gebirgigen Länder des Kaukasus, vom Ostrande des schwarzen Land u. Volk.
Meeres bis an das kaspische Meer, haben von jeher eine unselbständige
Zwischenstellung eingenommen. Sowohl in politischer als in religiöser Be-
ziehung waren sie von den grösseren Nachbarstaaten abhängig, und so kam
es, dass, als ihre Völker schon früh — bereits seit dem vierten Jahrhundert
— zum Christenthum übergetreten waren, auch ihre Architektur sich haupt-
sächlich an die byzantinische anlehnte. Doch nahmen sie, eben vermöge
ihrer Zwischenstellung und ihrer geistigen Beweglichkeit, auch anderwei-
tige Formen, sowohl des Islam als auch des benachbarten persischen Lan-
des, auf, welche im Verein mit den durch die Rauhheit des Gebirges ge-
botenen Modifikationen einen höchst eigenthümlichen Baustyl erzeugten.

In Georgien scheint man sich näher an die byzantinische Bauweise Bauten in
angeschlossen zu haben, wie die Kirche zu Pitzounda, angeblich von Geoisien-
Justinian selbst gegründet, beweist. Sie hat einen quadratischen Grund-
riss, aus welchem sich die höheren Theile in Form eines griechischen Kreu-
zes erheben, dessen Mitte eine Kuppel bildet. Sie hat ferner eine Vorhalle,
eine Frauen-Empore, drei Altarnischen, rundbogig gewölbte, mit Marmor-
platten geschlossene Fenster und ein mit Hausteinen und Ziegeln schicht-
weise wechselndes Mauerwerk. Ist dies Alles, ist die Bedeckung sämrnt-
lieher Räume ausser der Kuppel mit Tonnengewölben byzantinisch, so fehlt
es doch andrerseits nicht an abweichenden Eigenschaften. Dahin gehört
besonders, dass die Kuppel auf sehr hohem Tambour emporsteigt und in
freierer Weise über dem Baue dominirt, sodann aber auch, dass sie gleich
den übrigen Gewölben durch ein Dach von Steinziegeln bedeckt ist, eine
Vorkehrung, zu welcher das rauhere Klima nöthigte.

Viel bedeutender und origineller ge- Bauten in
stalten sich die Abweichungen vom byzan- * !memen-
tinischen Style in A rmenien. Die Kir-
chen bilden hier regelmässig ein längliches
Rechteck, aus welchem sich in Kreuz-
form ein erhöhter Mittelbau emporhebt,
aus dessen Mitte die Kuppel aufsteigt.

Doch unterscheidet sich diese Kreuzge-
stalt bei der Kürze der Seitenflügel we-
sentlich von der griechischen. An die
Kuppel schliessen sich vermittelst weiter
Gurtbögen nach Osten und Westen ver-
tiefte Nischen, von denen die erstere den
Altarraum, die letztere den Haupteingang
bildet. Aber auch nach Süden und Nor-
Kirche zu Vägharschabad. den legen sich Nischen, wenngleich von
 
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