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Lübke, Wilhelm
Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart — Leipzig, 1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.29616#0369

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Zweites Kapitel. Renaissance in Italien.

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Dazu kommt, dass in der guten Zeit der italienischen Renaissance niemals
ein Mörtelverputz sich als täuschender Quaderbau geben will, dass vielmehr
das Material in seinem wahren Wesen gezeigt und nach seinen Eigenthürn-
lichkeiten behandelt wird. Der Quaderbau ist oft, namentlich an den Erd-
geschossen, den Ecken und Fenstereinfassungen, mit jenen breiten, tief
eingeschnittenen Fugen zwischen den einzelnen Werkstücken (Bossagen)
ausgeführt, was einen besonders tüchtigen, derben Eindruck macht. Daher
der Name Rustika (bäuerliche Ordnung). Die Technik ist durchweg streng
und gediegen. Diese Eigenschaften entsprechen getreu dem Charakter der
Zeit, der sich mitten in menschlich freier Empfindung noch in den Schran-
ken schöner Mässigung zu halten weiss. Noch hat die Auflösung des mit-
telalterlichen Lebens nicht alle Kreise ätzend durchdrungen , die äusseren
Bande und Formen stehen überall in andauernder Geltung und lassen selbst
den Regungen des neuen Geistes, die sich zu voller Konsequenz noch nicht
entfaltet haben, freien Spielraum.

Der erste Begründer der modernen Baukunst ist der berühmte Floren- Bruneiiesco.
tiner Filippo Bruneiiesco (1377 —1444). Nach eifrigem Studium der
antiken Baureste entschied er sich mit klarem Blicke für die Wiederauf-
nahme der römischen Formen, denen er durch die Gewalt seines hohen
Geistes die Herrschaft sicherte. Jene Versammlung von Baumeistern aller
Nationen, welche im J. 1420 behufs der Vollendung des Domes zu Flo- Domkuppei
renz, namentlich wegen Ausführung der Kuppel, dorthin zusammen- zu l lorenz-
berufen worden war, sah die Geburtsstunde des neuen Styles. Es galt ein
Werk zu errichten, das an Kühnheit bisher seines Gleichen nicht hatte.
Bruneiiesco wies die Ausführbarkeit seines Planes nach und fand die Bei-
stimmung der Republik. Seine Kuppel erhebt sich bei einem Durchmesser
von 130 Fuss zu einer Scheitelhöhe von 330 Fuss. Obwohl ihre Wirkung
durch die spätere Bemalung, statt deren Bruneiiesco Mosaiken beabsichtigt
hatte, geschwächt wird, obwohl die äussere Dekoration so wie die aufge-
setzte Laterne erst nach des Meisters Tode ausgeführt worden ist, darf man
das Verdienst Brunellesco’s dabei nicht gering anschlägen. Es beruht haupt-
sächlich auf der Anlage und künstlerischen Durchbildung eines hohen Tam-
bours , der durch Rundfenster sein Licht empfängt, und über welchem die
schlanke Kuppel in elliptischer Schwingung aufsteigt. — Sodann erbaute s. Lorenzo.
Bruneiiesco seit 1425 die Kirche S. Lorenzo daselbst, bei welcher er zur
Form der Säulenbasilika zurückgriff mit Kreuzgewölben über den Seiten-
schiffen und mit nischenartigen Kapellen, die er nach antiken Vorbildern
mit Pilastern und Gesimsen dekorirte. Am wichtigsten war dabei, dass er
der Säule das ganze Gebälkstück, welches sie im Mittelalter beseitigt hatte,
wieder aufzwang, und erst vom Gesimse desselben die Arkadenbögen auf-
steigen liess. Allerdings wurde dadurch die Gestalt der letzteren schlanker
und freier, aber der Zwiespalt zwischen Säulenbau und Bogenbau war in
seiner ganzen Schärfe wieder hergestellt.

Für den florentinischenPalastbau schuf Bruneiiesco im Palazzo PittiPalazzoPitti.
ein Vorbild von grandiosester Wirkung. In gewaltigen Bossagen erhebt
sich der Bau, ganz schmucklos, als ob die mächtigen Verhältnisse und die
Vertheilung der Massen jede gefällige Dekoration trotzig abgeschüttelt
hätten. Die Fenster sind rundbogig überwölbt. — Nach diesem Vorbilde Pal. Riccardi.
baute Michelozzo für Cosimo Medici den jetzigen Palazzo Riccardi,

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