Drittes Kapitel. Renaissance in den übrigen Ländern.
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älteren Theilen cler Stadt eine Menge reich geschmückter Facaden, von
durchaus mittelalterlichem Aufriss, aber mit antikisirenden Pilasterstellun-
gen dekorirt. Das Innere ist durch malerische Treppenanlage, schöne Säle
mit prächtig geschnitzten oder in Holz ausgelegten und gemalten Decken
anziehend. Es begegnet hier oft die pikante Verbindung von mittelalterlichen
Netzgewölben mit toskanischen Säulen, Zahnschnitt- und Eierstabgesimsen.
— Eins der brillantesten derartigen Werke in ganz Deutschland aus dem Hannover.
17. Jahrh. ist Leibnitzens Wohnhaus in Hannover, ein breites, hohes
Giebelhaus, .reich mit Dekorationen im Barockstyl bedeckt und mit einem
malerischen Erker geschmückt. Der neuerdings abgebrochene Apotheken-
flügel des dortigen Rathhauses vom J. 1566 war ein interessantes Bei-
spiel von der zierlichen Weise, mit welcher dieser Styl auch den Fachwerk-
bau zu behandeln wusste. Andere reich ausgebildete Privathäuser dieser Lemgo.
Gattung finden sich in Lemgo. — Von eleganter Zierlichkeit ist das Minden,
jetzige Kreisgerichtsgebäude zu Minden, ein hohes steinernes Giebelhaus,
dessen Facade in sechs Stockwerken mit fein kanellirten Halbsäulen aus-
gestattet ist; auch Münster weist ein in der Nähe des Rathhauses ge- Münster,
legenes Haus mit ungemein graziösem Erker und brillanter Barockdekora-
tion auf.
Minder zahlreich ist jene Art des Kirchenbaues, welche in ver- Kirchenbau.
wandter Weise bei den mittelalterlichen Traditionen verharrt und die gothi-
sche Konstruktion nur mit Renaissanceformen bekleidet. In dieser Rich-
tung, die mit besondrer Zähigkeit sich unberührt von dem mehr akade-
misch-klassischen Style der gelehrten Architekten zu erhalten weiss, ist
offenbar ein vorwiegend volksthümliches Element enthalten. Hierher gehört Kirche zu
als eines der interessantesten Beispiele aus dem 17. Jahrh. die Kirche zuWolfenbutte1'
Wolfenbüttel, ganz in gothischer Anlage erbaut, aber mit brillantestem
barockisirtem Masswerk der Fenster und sonstiger Dekoration desselben
Styles. — Verwandter Richtung folgen die Jesuitenkirchen zu Koblenz, Jesuitenkir-
von 1609 bis 1615 erbaut, zu Köln, von 1621 bis 1629, grossartig dis- ^hein™
ponirt und glänzend ausgestattet, und zu Bonn vom J. 1700, einfacher,
aber von stattlichem Eindruck und mit zwei Westthürmen versehen. —
Die Thür me errichtete man, ebenfalls nach gothischem Prinzip, schlank
und mit hoher Spitze , allein letztere unterbrach man mit einer oder meh-
reren kuppelartigen Ausbauchungen, die nichts weniger als harmonisch
oder schön sich darstellen. Doch gibt der nach 1556 erbaute Thurm des
Rathhauses zu Danzig mit seiner luftigen Verjüngung in mehreren ver-
goldeten Kuppelchen und seiner feinen Spitze ein Beispiel von Zierlichkeit
und schlanker Grazie selbst bei wunderlich entarteten Einzelformen.
Diesen mannichfach germanisirenclen Bestrebungen gegenüber kam strengere
seit dem Ende des 17. Jahrh. an mehreren Orten, begünstigt durch fürst- p>CIiais:!aiu‘•
liehe Baulust, eine strenger antikisirende Richtung auf. Eins der edelsten Nehring.
Beispiele derselben ist das 1685 von Nehring begonnene Zeughaus zu
Berlin. Im Gegensatz gegen die gleichzeitige äusserste Entartung des
Barockstyles in Italien ist dieses Werk ein Beweis edler Einfachheit, ge-
setzlicher Harmonie bei schönster Disposition und ungewöhnlich noblen
Verhältnissen. — Verwandter Richtung folgte beim Baue des königlichen a. Schlüter.
Schlosses zu Berlin seit 1699 bis 17 06 der grosse Andreas Schlüter,
auch als Bildhauer bewundernswert!!, der mächtigste Künstlergenius seiner
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älteren Theilen cler Stadt eine Menge reich geschmückter Facaden, von
durchaus mittelalterlichem Aufriss, aber mit antikisirenden Pilasterstellun-
gen dekorirt. Das Innere ist durch malerische Treppenanlage, schöne Säle
mit prächtig geschnitzten oder in Holz ausgelegten und gemalten Decken
anziehend. Es begegnet hier oft die pikante Verbindung von mittelalterlichen
Netzgewölben mit toskanischen Säulen, Zahnschnitt- und Eierstabgesimsen.
— Eins der brillantesten derartigen Werke in ganz Deutschland aus dem Hannover.
17. Jahrh. ist Leibnitzens Wohnhaus in Hannover, ein breites, hohes
Giebelhaus, .reich mit Dekorationen im Barockstyl bedeckt und mit einem
malerischen Erker geschmückt. Der neuerdings abgebrochene Apotheken-
flügel des dortigen Rathhauses vom J. 1566 war ein interessantes Bei-
spiel von der zierlichen Weise, mit welcher dieser Styl auch den Fachwerk-
bau zu behandeln wusste. Andere reich ausgebildete Privathäuser dieser Lemgo.
Gattung finden sich in Lemgo. — Von eleganter Zierlichkeit ist das Minden,
jetzige Kreisgerichtsgebäude zu Minden, ein hohes steinernes Giebelhaus,
dessen Facade in sechs Stockwerken mit fein kanellirten Halbsäulen aus-
gestattet ist; auch Münster weist ein in der Nähe des Rathhauses ge- Münster,
legenes Haus mit ungemein graziösem Erker und brillanter Barockdekora-
tion auf.
Minder zahlreich ist jene Art des Kirchenbaues, welche in ver- Kirchenbau.
wandter Weise bei den mittelalterlichen Traditionen verharrt und die gothi-
sche Konstruktion nur mit Renaissanceformen bekleidet. In dieser Rich-
tung, die mit besondrer Zähigkeit sich unberührt von dem mehr akade-
misch-klassischen Style der gelehrten Architekten zu erhalten weiss, ist
offenbar ein vorwiegend volksthümliches Element enthalten. Hierher gehört Kirche zu
als eines der interessantesten Beispiele aus dem 17. Jahrh. die Kirche zuWolfenbutte1'
Wolfenbüttel, ganz in gothischer Anlage erbaut, aber mit brillantestem
barockisirtem Masswerk der Fenster und sonstiger Dekoration desselben
Styles. — Verwandter Richtung folgen die Jesuitenkirchen zu Koblenz, Jesuitenkir-
von 1609 bis 1615 erbaut, zu Köln, von 1621 bis 1629, grossartig dis- ^hein™
ponirt und glänzend ausgestattet, und zu Bonn vom J. 1700, einfacher,
aber von stattlichem Eindruck und mit zwei Westthürmen versehen. —
Die Thür me errichtete man, ebenfalls nach gothischem Prinzip, schlank
und mit hoher Spitze , allein letztere unterbrach man mit einer oder meh-
reren kuppelartigen Ausbauchungen, die nichts weniger als harmonisch
oder schön sich darstellen. Doch gibt der nach 1556 erbaute Thurm des
Rathhauses zu Danzig mit seiner luftigen Verjüngung in mehreren ver-
goldeten Kuppelchen und seiner feinen Spitze ein Beispiel von Zierlichkeit
und schlanker Grazie selbst bei wunderlich entarteten Einzelformen.
Diesen mannichfach germanisirenclen Bestrebungen gegenüber kam strengere
seit dem Ende des 17. Jahrh. an mehreren Orten, begünstigt durch fürst- p>CIiais:!aiu‘•
liehe Baulust, eine strenger antikisirende Richtung auf. Eins der edelsten Nehring.
Beispiele derselben ist das 1685 von Nehring begonnene Zeughaus zu
Berlin. Im Gegensatz gegen die gleichzeitige äusserste Entartung des
Barockstyles in Italien ist dieses Werk ein Beweis edler Einfachheit, ge-
setzlicher Harmonie bei schönster Disposition und ungewöhnlich noblen
Verhältnissen. — Verwandter Richtung folgte beim Baue des königlichen a. Schlüter.
Schlosses zu Berlin seit 1699 bis 17 06 der grosse Andreas Schlüter,
auch als Bildhauer bewundernswert!!, der mächtigste Künstlergenius seiner