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Erftes Buch.
Der Handel.
Ihre Cultur.
Baukunft.
Damm-
bauten.
Bau-
Material.
deckungszug nach den fernen Geftaden Indiens, von wo fie Gold, Edelfteine,
Elfenbein, Sandelholz, Affen und Pfauen zurückbrachten. Ihre vorgefchobene Welt-
lage machte fie zu Vermittlern des Morgenlandes und Abendlandes; auf ihren
gebrechlichen Fahrzeugen trugen fie die hochentwickelten Culturen Aegyptens
und Babylons an alle Geftade des Mittellandilchen Meeres, zu den alten Bevöl-
kerungen Griechenlands, der Infein, Italiens, ja felbft Spaniens und den weiblichen
und nördlichen Küften Afrika’s. Ueberall gründeten fie Kolonien, kaufmännifche
Niederlaffungen, betrieben den Bergbau, fuchten nach Purpurfchnecken und gaben
ohne Zweifel den erlben Anfloß zum Erwachen eines abendländifchen Culturlebens.
Die älteften und wichtigfien Städte des phönizifchen Landes waren Sidon, der
«Markt der Heiden»,*) und Tyrus, deren «Kaufleute Fürlien find und die Krämer
die herrlichften im Lande».**) Von hier aus wurden zuerlf die Infein Kypros,
Rhodos und Kreta kolonifirt, und fchon im Laufe des 13. Jahrhunderts v. Chr.
bedeckten die phönizifchen Niederlaffungen alle Gellade und Infein des Aegäifchen
Meeres. Um 1100 waren fie bis an die Säulen des Herkules vorgedrungen und
gründeten als welllichften Stützpunkt ihrer Macht die Stadt Gades. Indem fie
den noch in fchlichten Naturzulländen lebenden Bevölkerungen Griechenlands und
der übrigen Länder des Mittelmeeres die Cultur des Orients und felbft ihre eigene
Buchftabenfchrift mittheilten, erlangten fie für die Gefchichte des Menfchenge-
lchlechts eine hohe Bedeutung. Aber fie waren nicht blos Vermittler fremder
Erzeugniffe, fondern fie nahmen in manchen Kunftgewerben felbftthätig eine her-
vorragende Stellung ein. Im Bauwefen, im Erzguß, in der Verarbeitung edler
Metalle, in feinen Webereien waren fie hoch erfahren. Befonders aber rühmte
man im Alterthum ihre Glasfabriken und ihre Purpurfärbereien. Die meiften
diefer Techniken mögen fie von früheren Culturvölkern lieh angeeignet haben,
fo die Weberei von den Babyloniern, die Glasfabrikation von den Aegyptern;
doch gelten fie im homerifchen Zeitalter als die auslchließlichen Träger aller
höheren Kunftfertigkeit. Die koftbaren Milchkrüge von Erz oder Silber, die Ge-
fchmeide aus Gold und Elektron flammen aus Sidon, der Stadt voll fchimmern-
den Erzes, find von kunftreichen fidonifchen Männern gefertigt, wie die pracht-
vollen bunten Gewänder als Erzeugniffe fidonifcher Frauen gerühmt werden. Als
Baumeifter werden die Phönizier von den ihnen benachbarten und befreundeten
Juden beim Tempel zu Jerufalem verwendet: aber felbft Euripides weiß zu be-
richten, daß die Mauern von Mykenä nach phÖnizifchem Kanon erbaut waren***.)
Je wichtiger nach alledem das merkwürdige Volk für die Uebertragung orien-
talifcher Kunftformen nach dem Abendlande war, um fo mehr haben wir es zu
beklagen, daß von der ganzen Herrlichkeit feiner Städte fo gut wie nichts übrig
geblieben ift. Nur gewaltige, aus Riefenquadern aufgeführte Damm- und Ufer-
bauten haben fich auf der Infel Arvad, lowie nördlich von dort zu Marathus er-
halten. Sie legen Zeugniß ab von dem großartig praktifchen Sinne des Volkes
und der unverwüftlichen Gediegenheit feiner Bautechnik. Die Quader find fcharl
gefugt, an den Rändern glatt gearbeitet, der übrige Theil der Flächen aber ift
rauh flehen■ gelaffen, fo daß der Eindruck derber Feftigkeit noch verftärkt wird.
Es find wohl die älteften Werke der fogenannten Ruftica.
Wie der Oberbau phönizifcher Tempel und Paläfte befchaffen war, wiifen
S) yefaias 23, 3. **) Ebenda 23, 8. #*#) Euripides, Here. für. 948.
Erftes Buch.
Der Handel.
Ihre Cultur.
Baukunft.
Damm-
bauten.
Bau-
Material.
deckungszug nach den fernen Geftaden Indiens, von wo fie Gold, Edelfteine,
Elfenbein, Sandelholz, Affen und Pfauen zurückbrachten. Ihre vorgefchobene Welt-
lage machte fie zu Vermittlern des Morgenlandes und Abendlandes; auf ihren
gebrechlichen Fahrzeugen trugen fie die hochentwickelten Culturen Aegyptens
und Babylons an alle Geftade des Mittellandilchen Meeres, zu den alten Bevöl-
kerungen Griechenlands, der Infein, Italiens, ja felbft Spaniens und den weiblichen
und nördlichen Küften Afrika’s. Ueberall gründeten fie Kolonien, kaufmännifche
Niederlaffungen, betrieben den Bergbau, fuchten nach Purpurfchnecken und gaben
ohne Zweifel den erlben Anfloß zum Erwachen eines abendländifchen Culturlebens.
Die älteften und wichtigfien Städte des phönizifchen Landes waren Sidon, der
«Markt der Heiden»,*) und Tyrus, deren «Kaufleute Fürlien find und die Krämer
die herrlichften im Lande».**) Von hier aus wurden zuerlf die Infein Kypros,
Rhodos und Kreta kolonifirt, und fchon im Laufe des 13. Jahrhunderts v. Chr.
bedeckten die phönizifchen Niederlaffungen alle Gellade und Infein des Aegäifchen
Meeres. Um 1100 waren fie bis an die Säulen des Herkules vorgedrungen und
gründeten als welllichften Stützpunkt ihrer Macht die Stadt Gades. Indem fie
den noch in fchlichten Naturzulländen lebenden Bevölkerungen Griechenlands und
der übrigen Länder des Mittelmeeres die Cultur des Orients und felbft ihre eigene
Buchftabenfchrift mittheilten, erlangten fie für die Gefchichte des Menfchenge-
lchlechts eine hohe Bedeutung. Aber fie waren nicht blos Vermittler fremder
Erzeugniffe, fondern fie nahmen in manchen Kunftgewerben felbftthätig eine her-
vorragende Stellung ein. Im Bauwefen, im Erzguß, in der Verarbeitung edler
Metalle, in feinen Webereien waren fie hoch erfahren. Befonders aber rühmte
man im Alterthum ihre Glasfabriken und ihre Purpurfärbereien. Die meiften
diefer Techniken mögen fie von früheren Culturvölkern lieh angeeignet haben,
fo die Weberei von den Babyloniern, die Glasfabrikation von den Aegyptern;
doch gelten fie im homerifchen Zeitalter als die auslchließlichen Träger aller
höheren Kunftfertigkeit. Die koftbaren Milchkrüge von Erz oder Silber, die Ge-
fchmeide aus Gold und Elektron flammen aus Sidon, der Stadt voll fchimmern-
den Erzes, find von kunftreichen fidonifchen Männern gefertigt, wie die pracht-
vollen bunten Gewänder als Erzeugniffe fidonifcher Frauen gerühmt werden. Als
Baumeifter werden die Phönizier von den ihnen benachbarten und befreundeten
Juden beim Tempel zu Jerufalem verwendet: aber felbft Euripides weiß zu be-
richten, daß die Mauern von Mykenä nach phÖnizifchem Kanon erbaut waren***.)
Je wichtiger nach alledem das merkwürdige Volk für die Uebertragung orien-
talifcher Kunftformen nach dem Abendlande war, um fo mehr haben wir es zu
beklagen, daß von der ganzen Herrlichkeit feiner Städte fo gut wie nichts übrig
geblieben ift. Nur gewaltige, aus Riefenquadern aufgeführte Damm- und Ufer-
bauten haben fich auf der Infel Arvad, lowie nördlich von dort zu Marathus er-
halten. Sie legen Zeugniß ab von dem großartig praktifchen Sinne des Volkes
und der unverwüftlichen Gediegenheit feiner Bautechnik. Die Quader find fcharl
gefugt, an den Rändern glatt gearbeitet, der übrige Theil der Flächen aber ift
rauh flehen■ gelaffen, fo daß der Eindruck derber Feftigkeit noch verftärkt wird.
Es find wohl die älteften Werke der fogenannten Ruftica.
Wie der Oberbau phönizifcher Tempel und Paläfte befchaffen war, wiifen
S) yefaias 23, 3. **) Ebenda 23, 8. #*#) Euripides, Here. für. 948.